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Buch.
Das Mittelalter.
seine Wunderthaten geschildert; an den Oberwänden des Mittelschiffes
endlich die Geschichten des alten Testaments, oben rechts mit der
Schöpfung, unten mit der Geschichte Noahs beginnend. An der west-
lichen Eingangswand thront noch einmal das Kolossalbild der Himmels-
königin.
Diese unermessliche Welt von Darstellungen ist ganz auf Gold-
grund mit einfachen kräftigen Farben gemalt, die durch dunkle Schatten-
striche eine Art von Modellirung erhalten. Der Typus der Gestalten
ist durchweg der altchristliche, mit starken antiken Reminiscenzen in
Bewegung, Haltung, Gewändern, Kopfbildung. Daneben giebt sich
indess auch, besonders in der Gewandung, manches Byzantinische zu
erkennen. Im Faltenwurf herrscht manchmal etwas Knitteriges, Un-
ruhiges, oft aber auch eine grössere, an die Antike erinnernde Ein-
fachheit. Die älteren Köpfe neigen den Vorbildern von Byzanz zu,
die jugendlichen schliessen sich der Antike an. Ueber den kolossalen
Christus in der Apsis lässt sich nicht urtheilen, da er stark restaurirt
zu sein scheint; die Madonna unter ihm hat etwas Starres, Typisches,
die an der Westwand vollends mit der gebogenen Nase und dem lang
gezogenen Gesicht ist entschieden byzantinisch. Auch die Apostel
Petrus und Paulus und so noch Manches in den östlichen Theilen trägt
ähnliches Gepräge, wie denn dort auch die Inschriften überwiegend
griechisch sind. Alle Geschichtsbilder dagegen verrathen ein frisches
Leben; zwar sind die Bewegungen nicht geschickt dargestellt, aber
richtig empfunden und oft mit grossem Nachdruck geschildert. Selbst
der Seelenausdruck bei der Magdalena, dem Lahmen, der Ehe-
brecherin (hier mit sehr bezeichnender Handgeberde) ist oft überraschend
erreicht. Freilich machen sich sehr verschiedene Hände schon im Ent-
wurf, geschweige denn in der Ausführung geltend, und am besten
scheinen die Bilder des linken Seitenschiifs. Aber überall ist die
Composition gewandt, der Raum trefflich ausgefüllt, z. B. über den
Arkadenbögen in den Zwickelfeldern mit Geschick benutzt, so dass
auch in dieser Hinsicht dies grosse Werk einen bedeutenden Rang
einnimmt.
Neben diesen umfangreichen Schöpfungen kirchlicher Kunst ist
uns auch ein kleiner, aber kostbarer Rest profaner Dekoration erhalten
in den unter Wilhelm I. ausgeführten Mosaiken der sogenannten Sala
di Ruggiero im Schloss zu Palermo. Auch hier unten an den
Wänden die beliebte Marmorbekleidung, durch Mosaikstreifen getheilt;
darüber an Wänden und am Kreuzgewölbe auf goldenem Grunde