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Buch.
Kapitel.
keineswegs verleugnet, enthalten sie doch viele feine Beobach-
tungen und manche sehr schätzbare Nachrichten über ausgezeich-
nete Bilder.
Maria. Angelica Kauffmann, geboren zu Chur in Grau-
bündten 1742, gestorben in Rom 1708, war die Schülerin ihres
Vaters Joseph Kauffmann, eines mittelmässigen Portraitmalers, bil-
dete sich aber durch das Studium der grossen Meister in Italien,
wohin ihr Vater sie schon früh geführt hatte, und wo sie sich
auch, obwohl sie sich eine Zeit lang in England aufhielt, später
für immer niederliess. Obwohl sie von der Bildnissmalerei aus-
gegangen war, wendete sie sich doch später vorzugsweise der
Historienmalerei zu und erwarb sich in beiden Fächern in solchem
Maasse den Beifall ihrer Zeitgenossen, dass sie kaum den Bestel-
lungen genügen konnte, welche ihr aus verschiedenen Ländern,
vor allen jedoch aus England, zuiiossen. Ein leichtes, wenn
gleich nicht bedeutendes Talent zu componiren, ein Gefühl für
hübsche, wenn gleich einförmige und leere, Formen und anmuthige
Bewegungen, eine oft warme und blühende, wenn schon bunte
Färbung, und eine, wiewohl oberüächliche, doch gefällige Aus-v
führung, ganz besonders aber eine schwächliche, dem Geist jener
Zeit besonders zusagende Sentimentalität, machen auch jenen Beifall
sehr begreiflich. Zu ihren ansprechendsten Bildern gehören daher
einige Vorgänge aus der empfindsamen Reise von Sterne in der Ere-
mitage zu St. Petersburg, wo sich überhaupt viele Bilder von
ihr befinden.- Ein Bild in der Nationalgallerie in London, die
von den Tugenden umgebene Religion, N0. 139, ist für ihre ganze
Kunstweise sehr charakteristisch. Als Portraitmalerin erscheint sie
in dem Bildniss der Herzogin von Braunschweig, Schwester von
König Georg III., N0. 594, der Gallerie im Schlosse zu Hamptoncourt.
Zu ihren besten, historischen Bildern gehören zwei, von 1786 datirte,
in der Gallerie zu Wien. Hermann nach seinem Siege über Varus
von Thllßnßlda empfangen, und die Trauer um den jungen Pallas
aus der Aeneide. In der Gallerie zu München befindet sich,
N0. 152, ihr eignes, von 1784 datirtes, Bildniss. Obgleich leer in
den Formen, gehört es doch in der Wärme und Klarheit der
Farbe, dem guten Impasto des Vortrags, zu ihren besten Arbeiten.
Nirgend kann man aber diese Künstlerin vollständiger kennen lernen,
als in Burleigh-House, dem Sitz des Marquis von Exeter, wo sich
nicht weniger als 15 Bilder von ihr befinden. Sie hat auch eine