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ihr gebührende Stelle ein,'welches zum Theil wohl von der grossen
Seltenheit ihrer Bilder, namentlich in den Gallerien, herrühren mag.
Denn, obwohl ihre Blumenstücke schwach in der Anordnung und
auch öfter bunt in der Zusammenstellung der Farben sind, haben
doch die einzelnen, wohlgezeichneten Blumen die grösste Wahrheit,
namentlich aber eine Tiefe, Glanz und Saftigkeit der Färbung,
wie sie kein anderer Blumenmaler erreicht hat. Dabei ist ihr
Vortrag, trotz grossen Fleisses, breit und frei, ihr Impasto vor-
trefflich. Es darf daher nicht wunder nehmen, dass die ersten
Fürsten ihrer Zeit, Ludwig XIV., Wilhelm III. von England, der
Kaiser Leopold, der König August I. von Polen, Bilder bei ihr be-
stellten. Die beiden besten, mir von ihr bekannten Blumenstücke,
beide mit ihrem ganzen Namen bezeichnet, befinden sich in den
Gallerien zu Wien und Florenz. Auf dem Bilde zu Wien
zeichnen sich besonders eine grosse Sonnenblume, Tulpen und
Mohn aus. Die brennenden Farben, den eigenthümlichen Glanz der
letzten Blumenarten habe ich von keinem anderen Künstler so voll-
kommen wiedergegeben gesehen. Die Anordnung ist indess ge-
schmacklos, auch hat das Grün naehgedunkelt. Bei dem Bilde in
Florenz ist letztere etwas besser, und in allen übrigen Theilen
steht es auf derselben Höhe. Zwei Bilder in der Dresdener Gal-
lerie, Blumen in einem Glasgefässe, N0. 1356, besonders aber ein
Fruchtstück, N0. 1357, treten gegen jene sehr zurück.
Abraham lllignon, geboren zu Frankfurt 1639, gestorben zu
Wetzlar 1697, lernte zwar zuerst in seiner Vaterstadt bei Jacob
Moreels, doch tragen seine Bilder das entschiedene Gepräge seines
zweiten Meisters, des Jan Davidsz de Heem. Das Höchste, was
man zu seinem Lobe sagen kann, ist, dass er in seinen besten
Bildern diesem nahe kommt. Im Allgemeinen aber steht er ihm
sehr nach. Er ist in der Anordnung weniger geschmackvoll, in
der Zeichnung viel schwächer, im Farbenton nicht allein weniger
warm und klar, sondern in manchen Bildern geradezu kalt und
schwer, endlich im Vortrag, bei einer öfter mehr ins Einzelne
gehenden Ausführung, ungleich weniger geistreich und frei, ja
bisweilen selbst kleinlich und geleckt. Er muss sehr iieissig gewesen
sein, denn- seine Bilder sind in Gallerien und Privatsammlungen
ziemlich zahlreich. Im Museum zu Amsterdam befindet sich unter
N0. 204, ein Marmortisch, worauf Früchte, Blumen, ein gekochter
Hummer, ein silberner Teller, welches in der Harmonie, wie in der