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massen herabstürzenden Wassers. Würdig schliesst sich diesem
Bilde der sogenannte Judenkirchhof, No. 1366, der Dresdener
Gallerie an. Durch die vom einem Sonnenblick erhellten Gräber,
zwischen denen der Wasserfall herabrauscht, wird hier das Gefühl
tiefer Melancholie noch erhöhet. Zwei Wasserfälle der Gallerie zu
B r a u n s c h w ei g gehören ebenfalls zu den schönsten Bildern
Ruysdaels von diesem Gegenstande, und dasselbe gilt von einem
grossen Bilde von ungewöhnlich warmer Luft in der Eremitage zu
St. Petersburg. Eine seltne Form dieses Meisters unter den zahl-
reichen, ebenda. von ihm vorhandenen, Bildern, ist eine grosse
Landschaft mit hohem Felsgebirg, zwischen dessen Gipfeln sich
eine Wolke, an dessen Fuss sich ein stilles Wasser hinzieht.
Er athmet das Gefühl einer tiefen Einsamkeit, einer erhabenen
Melancholie. Ich komme jetzt auf die so seltnen, eigentlichen See-
stücke des Künstlers. Auf eine leichtbewegte, von grösseren und
kleineren Schiffen belebte See werfen dunkle Regenwolken ihre
Schatten, während ein durchbrechender Sonnenstrahl einzelne Theile
beleuchtet. Im Hintergrunde eine Stadt, N0. 884, im Museum zu
Berlin. Die düstere Stimmung ist hier vortrefflich, der Himmel,
durch die Wahrheit, Weiche und Nässe der Wolken, einer der
schönsten des Künstlers, die Behandlung von grösster Meisterschaft.
Ein Sturm im Louvre, N0. 471. Ein durch die grauen und
schweren Wolken brechender Sonnenstrahl fällt auf die wüthende
Brandung der Wellen gegen die Pfähle, welche eine Fischerhütte
schützen, und erhellt auch andere Stellen des empörten Elements
im Mittel- und Hintergrunde. Das schaurig Poetische eines solchen
Vorganges ist hier mit der schlagendsten Wirkung und der selten-
sten Breite und Weiche des Vortrags verbunden. An Grossartig-
keit der Auffassung wird dieses Bild aber noch übertroffen von
dem, in jedem andern Betracht auf gleicher Höhe stehenden, Sturm
in der Sammlung des Marquis von Lansdowne auf seinem Land-
sitzß BOWOOdJ Wenn Ruysdael in seinen Seestücken alle eigent-
lichen Seemaler übertrifft, so hat er es in dem einzigen, von ihm
vorhandenen Architekturstück, der Ansicht des Innern der neuen
Kirche von Amsterdam, in der Sammlung des Marquis von Bute,
in London, den besten Architekturmalern gleich gethan. Luft-
und Linienperspektive sind darin trefflich beobachtet, und die kühle,
1 Vergl.
Treasures Th.
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