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aber doch untergeordneten Malers, machte er doch, vermöge seines
wunderbaren Genies, solche Fortschritte, dass man ihn" bereits
mit 15 Jahren als einen vollendeten Künstler ansehen konnte.
Schon früh zog er nach dem Haag, wo sein Talent von allen
Seiten, z. B. von dem Prinzen Moritz von Oranien, volle Anerkennung
fand und wo er sich auch verheirathete. Im Jahr 1652 aber über-
siedelte er, auf Veranlassung eines seiner Hauptbeschützer, des
Bürgermeisters Tulp, nach Amsterdam. Von allen Malern, deren
Bestreben vorzugsweise auf Wahrheit ausgegangen, ist er un-
bedingt einer der grössten, welche je gelebt haben. Um hierzu
zu gelangen eignete er sich eine gute Zeichnung, eine Art der
Modellirung, welche seinen Thieren ein plastisches Ansehen giebt,
eine ausserordentliche Ausführung des Einzelnen in einem höchst
gediegenen Impasto, und eine sehr wahre, der gewählten Tages-
zeit wunderbar entsprechende, Färbung an. Auch in seinen,
meist landschaftlichen, Umgebungen, welche in der Regel in
einigen Weiden im Vorgrundc, und in einer weiten Aussicht
über Wiesen bestehen, herrscht eine höchst feine Abtönuxig in der
Luftperspective. Obwohl die Hausthiere das Hauptelement seiner
Kunst warß, so gelangen ihm auch wilde Thiere bisweilen sehr
gut, doch ist er darin sehr ungleich. Mit einigen, wenigen Aus-
nahmen sind seine Thiere klein, und auch die Bilder, dem gemäss,
von sehr müssigem Umfang. Er muss üusserst fleissig gewesen
sein, denn die Zahl von 103 Bildern, wozu noch mehrere Zeich-
nungen, viele Studien und 18 Radirungen kommen, ist für ein
Leben von 29 Jahren sehr ansehnlich. Immer aber ist diese Zahl
so massig, dass der hohe Preis, worin sie stehen, bei deren Vor-
trcHlichkeit sehr begreiflich ist. Du er seine Bilder meist mit der
Jahrszahl bezeichnet hat, werde ich solche, welche mir für den Ent-
wicklungsgang seiner Kunst besonders charakteristisch erscheinen,
kürzlich der Zeitfolge nach, betrachten. In der Sammlung im
Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel. Vier Kühe neben einem dürren
Baum in einer Landschaft, datirt 1644. Dieses, im 19. Jahre ge-
malte, Bild ist im Einzelnen zwar höchst ausgeführt, der Vortrag
aber noch trocken. Im Besitz des Herzogs von Sommerset.
Fünf Kühe und anderes Vieh vor einer Meierei. Datirt 1646. Auch
in dieser reichen Composition haben die Formen in dem Bestreben
nach Wahrheit noch eine gewisse Härte, die zwar trefflich impastirte
Behandlung noch einige Trockenheit, und ist der Gesammtton