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ich, als in Grossbritanien von ihm befindlich, in meinen Treasures
Rechenschaft gebe, erwähne ich hier nur des Mädchens, welches ihrer
Mutter einen Brief verliest, mit einem Pagen, im Buckinghampalace,
als eines, in jedem Betracht vorzüglichen, Hauptwerks des Meisters. 1
Von Gabriel Metsu, geboren 1615 in Leyden, noch am
Leben 1667,? ist zwar nicht bekannt, wer sein Lehrer gewesen
ist, indess zeigen seine Gemälde, dass er sich vorzugsiveise nach
Terburg gebildet hat. Sonst weiss man von ihm nur, dass er mit
dem Maler Jan, Steen in einem freundschaftlichen Verkehr gestan-
den, und sich später in Amsterdam niedergelassen hat. Wenn er
schon häufigy sich seinem Vorbilde anschliessend, Vorgänge aus
dem Leben der höheren Klassen darstellt, so gefallt er sich doch
auch öfter etwas herabzusteigen und uns den Verkehr der niederen
Stände auf dem Markte, auch Jäger und Köchinnen vorzuführen.
Portraite malte er nur ausnahmsweise, in einigen Fällen selbst in
Lebensgrösse. Mit Terburg ist er der einzige Kleinmaler, welcher
sich solcher Aufgabe durchaus gewachsen zeigt. Im Gefühl unter-
scheidet er sich von diesemldurch eine grössere NVärme. Seine
Köpfe haben meist den Ausdruck des Gutartigen und Heiteren, ja
zuweilen steigert sich dieser zum Gemüthlichen. Gelegentlich findet
man auch bei ihm einen, dem Jan Steen verwandten, Humor. In
der Feinheit der Zeichnung kommt ihm kein anderer der Klein-
maler gleich, in der malerischen Anordnung thut es ihm keiner
zuvor, und dasselbe gilt auch von der Haltung. In der Färbung
waltet bei ihm in den Bildern seiner früheren und mittleren Zeit
entschieden die warme Harmonie in grosser Kraft und Klarheit vor.
In den späteren Bildern tritt dagegen eine kühlere, häufig fein ab-
gewogene, gelegentlich aber etwas bunte, Färbung ein. In dem, un-
geachtet aller Ausführung, freien und geistreichen Vortrag, ist nur
Terburg mit ihm zu vergleichen. Hauptwerke aus der höheren
Sphäre der Gesellschaft sind: in einem eleganten Zimmer empfängt
eine Dame, welche ein Glas Wein hält, einen Offizier; neben ihr
ein Page mit einem Präsentirteller und ein NVachtelhund. Im Louvre,
N0. 293. Der Gesammteindruck ist von grosser Eleganz, der tiefe
Goldton von seltener Klarheit, der Vortrag ebenso geistreich, als
zart. Ein Mädchen, auf deren Stuhllehne sich ein Herr stützt,
1 Treasures Th. II. S. 6 u. s. w. 2 Dieses erhellt aus der Bezeichnung eines
Bildes in der Sammlung van Loon in Amsterdam, Wie W. Burger in der Ueher-
setzung meines Katalogs der Sammlung von Barthold Suermondt in Aachen bemerkt.