Epoche von 1600 bis 1690.
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weise, dass der grosse Künstler auch die einfachsten Gegenstände
durch seine Art der Auffassung und Behandlung zu höchst anzie-
henden Bildern zu machen weiss. Eine von dunklen Wolken über-
schattete Fernsicht über das flache Land von Holland, durch welches
sich ein Fluss windet, mit einer grossen Zahl von Einzelheiten, in
der Sammlung des Lord Overstone zu London. 1 Das Gefühl einer
erhabenen Melancholie, einer tiefen Einsamkeit, ist darin mit wun-
derbarer Meisterschaft ausgesprochen. Dass er sich auch gelegent-
lich als Seemaler versucht hat, beweist eine stille See von ausser-
ordentlicher Wärme und Klarheit in der Eremitage zu St. Pe-
tersburg.
Bei der hohen Bedeutung dieses Meisters gebe ich schliesslich
noch eine Uebersicht der für das Studium desselben namhaften
Gallerien, und zwar in der Folge, wie sie sich durch Zahl und
Wichtigkeit der Werke von ihm auszeichnen. An der Spitze aller
Gallerien steht hier die Eremitage zu St. Petersburg. Sowohl
in der Menge historischer Bilder, deren verschiedene mit lebens-
grossen Figuren, als der Bildnisse aus den verschiedensten Zeiten
und in den verschiedensten Arten, kann sich keine andere Samm-
lung mit derselben messen. Nicht durch die Menge, sondern durch
die hohe Bedeutung der Bilder folgen zunächst die Sammlungen in
Amsterdam und im Haag. Durch die vortredliche Auswahl, wie
durch die Zahl, dürfte sich diesen die Gallerie in Oassel anschliessen.
In ungefähr gleicher und treiflicher Besetzung sind hiernach die
Gallerien von München, des Louvre und von Dresden zu nennen.
Zunächst gilt ein ähnliches Verhältniss zu einander von der Gallerie
in Berlin und der Nationalgallerie in London. Den Beschluss
machen endlich die Gallerien von Wien und Braunschweig.
Obwohl es ausserhalb der, diesem Buch gesteckten, Grenzen
liegt, von der ausserordentlich grossen, in öffentlichen und Privat-
Sammlungen von Rembrandt vorhandnen Handzeichnungen im Ein-
zelnen Rechenschaft zu geben, so muss ich doch im Allgemeinen
bemerken, dass sie, desselben künstlerischen Geistes voll, noch
ganz besonders durch das feine Gefühl, die ausserordentliche Mei-
ste1'schaft anziehen, womit darin in wenigen, oft flüchtigen, Strichen
der jedesmalige Gegenstand in seinen wesentlichsten Theilen so an-
gedeutet ist, dass die Phantasie des Beschauers das Fehlende er-
1 Supplementband S.
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