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Buch.
Kapitel.
In Böhmen dürfte in dieser Epoche die Malerei die in Deutsch-
land übertroifen haben. Hiefür legen die Miniaturen in einem für
die Prinzessin Kunigunde, Schwester König Ottokars II. von Böhmen
und Aebtissin des Klosters St. Georg zu Prag, im Jahr 1316 von
dem Dominikaner Golda verfassten Passionale, welches sich in der
Universitätsbibliothek zu P rag befindet, ein glänzendes Zeugniss ab. 1
Das Sprechende und Lebendige der Motive, der edle Geschmack in
den, nach dem Vorbild gothischer Skulpturen geworfenen, breiten
Falten der Gewänder, die gute Zeichnung, sind in Betracht der
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mfte Vorstellung aus einer Bibel in Stuttgart.
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Zeit wahrhaft überraschend. Der. schlafende Adam bei der Er-
schaffung der Eva. kann sich in jedem Betracht mit den Figuren
des gleichzeitigen Giotto messen. Verschiedene, sehr ansprechende
Erfindungen sind als nationell-böhmiseh zu bezeichnen. S0 die
Vorstellung der Magdalena, welche der auf dem Bette ruhenden
Maria in Gegenwart von Petrus und Johannes die Auferstehung
Christi verkündigt, so die Innigkeit bei dem Wiedersehen Christi
und der Maria nach der Auferstehung, wovon hier eine Abbildung
(hlig. 16) nach der bei Wocel, so das Christkind, welches aus der
Krippe der Maria, sie ansehend die Hand reicht, welches derselbe
gibt. Ergreifend in Motiv und Ausdruck, grossartig in dem Wurf
des Gewandes, ist die ebenfalls bei ihm abgebildete Meter dolorosa.
Sehr beachtenswerth sind die in der Burg zu Ncuhaus in
Böhmen befindlichen Wandmalereien aus der Legende des heiligen
1 Näheres im Deutschen Kunstblatt 1650. S._150 f. und noch ungleich ausführ-
licher und von einigen guten Abbildungen beglextet in einem Aufsatze von Wvocel
im Miirzheft der Wiener Mittheilungen von 1860. S. 75 h".