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Epoche
10 bis 1420.
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der Weise der damaligen Zeit gehalten, und geben uns ein sehr
lebendiges und geistreiches Bild von diesen. Der schöne, sehr
jugendliche Kopf des Alexander bei seinem Begräbniss hat etwas
Poetisches.
Wie lange sich aber auch noch in einzelnen Fällen die solide
Behandlung in Guasch und das Farbengefühl mit der neuen YVeise
mischten, beweist ein um 1300 verfasstes lilanuscript eines Psalte-
riums in derselben Bibliothek (No. 8070). Dabei ist die Feder
darin mit einer gewissen Breite und grosser Freiheit geführt, und
die Köpfe öfter von vielem Ausdruck. In der Auffassung von
manchen Thieren findet sich eine überraschende Wahrheit und ver-
schiedene scherzhafte Vorstellungen sind so ergötzlich, dass (iarin
schon Teniers und Jan Steen vorspuken.
Ein besonders ausgezeichnetes Zeugniss von dem Stande der
Malerei in den Niederlanden gegen Ende dieses Abschnitts geben
die Miniaturen, welche, nach einer darin enthaltenen Inschrift,
Michiel van der Borch im Jahr 1332 in einem Manuscript der
Bibel in tlamändischen Reimen von Jacob van Maerland im Westre-
nischen Museum im Haag ausgeführt hat. 1 Die Motive der Figuren
sind sehr sprechend und dramatisch. So ist in der Darstellung der
Schöpfungstage bei der Erschaffung der Eva der Schlaf des Adam
sehr wahr ausgedrückt, die Eva sehr hübsch. Dabei sind die For-
men öfter von überraschender Fülle, z. B. an den Kindern bei Er-
tränkung der Erstgeburt in Aegypten. Die Falten der Gewänder
sind von ungewöhnlicher Breite. In der Darstellung der Geburt
Christi kündigt sich schon die realistische Auffassung an, worin die
Niederländer allen andern Nationen vorangehen sollten.
Von Wandgemälden hat sich aus dieser Epoche wenigstens eins
in Belgien zu Gent in dem vormaligen Refectorium des alten Bi-
loque Hospital erhalten. Es stellt, in lebensgrossen Figuren, den
thronenden Chrisims dar, welcher der, gegen ihm iiberwsitzenden,
die erhobenen Hände zusammenlegenden Maria den Segen ertheilt.
Hinter ihnen, in viel kleinerem Maassstabe, drei Engel, welche einen
Teppich halten. Das Ganze ist von einer Einfassung von einer
gothischen, sehr häufig gebrauchten Form umschlossen. Nach der
schon ganz ausgebildeten Kunstweise unserer Epoche möchte die
Ausfühnmg nicht früher als gegen das Jahr 1300 fallen. Sowohl
1 Ausführliches darüber in einem Aufsatz von mir im Deutschen Kunstbl. von
135-2. N0. 2a.