Byzantinisch-romanische Epoche.
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Moses, der andere Christus darstellt, begabt. Eine andere Form
dieser Belehrung durch die Anschauung spricht sich darin aus, dass
sich nicht nur jeder Vorgang des Lebens Christi, sondern selbst jede
Einzelheit seiner Parabeln abgebildet findet. So sind bei der be-
kannten Parabel von den Einladungen zum Gastmahle die verschie-
denen Entschuldigungen der Geladenen dargestellt, der eine zeigt
auf den Meyerhof, welchen er gekauft, der andere auf die fünf Joch
Ochsen, die, wohlgezählt, dastehen, der dritte auf das Weib, so er
genommen. Viele der biblischen Gegenstände sind nach der alten
Tradition von grosser Würde, und die Köpfe Christi, Johannes des
Tiiufers, der Apostel Petrus und Paulus, nach dem Typus der alt-
christlichen Bilder genommen. Für die Frauen und jüngeren Män-
ner ist ein Typus von nicht ungefälligem Ansehen vorhanden. Aus-
druck ist in den Gesichtern in der Regel nicht zu finden. Nur sehr
heftige Aifecte sind nothdürftig ausgedrückt, wie das Klagen der
thörichten Jungfrauen durch herabgezogene Mundwinkel, heraufge-
zogene Augen. Von geistigen Eigenschaften ist Bosheit durch Grin-
sen wiedergegeben. Unter den zahlreichen, der Zeit angehörigen
Erfindungen sind manche recht glücklich, z. B. die reichgeschmückt
und den Speer schwingend auf einem Rosse einhcrsprengende Su-
perbia. Dieses, wie die sonst vorkommenden Pferde sind indess
sehr plump und mangelhaft. Wie schwach auch die Zeichnung, so
sind doch die Intentionen sehr deutlich. Diese arten indess bei der
Darstellung von Kämpfen in das Ungeschlachte aus. Merkwürdiger
Weise haben sich hier in so später Zeit bei der Darstellung von
Naturgegenständen und geistigen Eigenschaften noch die antiken
Personificationen erhalten. So sehen wir bei der Taufe Christi noch
den Jordan als Flussgott, und wird bei der Schöpfungsgeschichte
Luft und Viiasser durch Aeolus und Neptun, Tag und Nacht durch
zwei weibliche Gestalten ausgedrückt, von denen die letztere sogar
noch, wie in altbyzantinischen Miniaturen, den über dem Haupte im
Halbzirkel flatternden Schleier hat. Eins der merkwürdigsten Bilder ist
das letzte, sich auf die Stiftung des Klosters beziehende, wo Christus,
Maria und Petrus einen goldnen Stab anfassen, welcher ihnen (Ion
dem knieenden Herzog Eticho, der dadurch die Stiftung des Klo-
sters als Morgengabe macht, dargebracht wird. Die Bildnisse der
Herrad und ihrer 60 Nonnen zeigen noch keine Spur von Individua-
lisirung. Die Farben sind kräftig, die Behandlung in Dpckfarben
genau und sorgfältig.