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darin oft an sich sehr Schätzbares leisteten, so konnten sie es
doch, aus verschiedenen, sehr nahe liegenden Gründen, den Leistun-
gen der Oelmalerei bei weitem nicht gleich thun. Denn, ungeachtet
jener Fortschritte, blieb ihre Technik immer, im Vergleich zu jener,
sehr schwierig und unbeholfen, und trat nun das, die grössere Com-
positionen durchschneidende Maasswerk der gothischen Fenster
höchst störend ein. Die Glasmalerei nahm solcherweise, als eine
selbständige Kunst, immer nur eine sehr untergeordnete Stellung
ein, verlor darüber aber gänzlich ihre ursprüngliche Bedeutung als
eine wunderschöne, architektonische Decoration. Während die frü-
heren Glasmalercien durch die symmetrische Anordnung der Me-
daillons mit den kleinen Bildern, durch die ruhige Haltung der ein-
zelnen Gestalten, durch eine, denselben Gesetzen folgende, Verthei-
lung der Farben, durch das Festhalten des Gefühls der Fläche, indem
alleperspectivischen Hintergründe vermieden wurden, den umgebenden
architektonischen Formen durchaus entsprachen, und dieselben, nur
in Farben, fortsetzten, machen jene späteren in der Entfernung, be-
sonders durch die brennenden Farben der, lediglich von der male-
rischen Composition abhängigen, Gewänder eine durchaus zufällige,
fleckige und undeutliche Wirkung, wofür in der Nähe jene verhält-
nissmässig grössere Ausführung keineswegs einen gehörigen Ersatz
gewährt. Auch das Anbringen einer der gothischen ganz fremden
Architektur, wie die der Renaissance, in gothischen Gebäuden stört
ungemein die Harmonie des Eindrucks.
Obwohl nun in den Glasmalereien der verschiedenen Länder
vom 15., bis zu dem Ausgehen dieser Kunst im 17. und 18. Jahr-
hundert, welche ich hier gleich kürzlich mit in Betracht ziehe, das-
selbe malerische Prinzip herrscht, sind sie doch unter sich, indem
sie den jedesmaligen Kunstformen der Zeit und des Orts entspre-
chen, wieder von grosser Verschiedenheit."
In Belgien wird schon im 15. Jahrhundert eine ganz besondere
Art der Glasmalerei, grau in grau, wobei in den Lichtern das
Glas nur leicht gedeckt wird, zu hoher Vollendung ausgebildet, Die
schönsten, in Farben ausgeführten, Grlasgemälde in Belgien aus die-
ser Epoche sind die mit dem Jahr 1525 bezeichneten in dem Chor
der Kirche St. Jacques zu Lüttich, welche in der Mitte die Kreuzi-
gung, zu den Seiten Engel, Heilige und die Stifter, darstellen. Sie
stehen nicht allein als Kunstwerke durch die Schönheit der Köpfe,
die Reinheit der Zeichnung, und die grosse Ausführung auf einer