Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

Buch. 
Kapitel. 
deutschen Miniaturen dieser Epoche verschieden. Auch hier lassen 
sich häufig byzantinische Vorbilder erkennen, deren Nachahmung 
indess in allen Stücken sehr von denselben abweicht. In den Köpfen 
herrscht ein sehr einförmiger und kunstloser Typus, der auch bei 
Bildnissen, z. B. das des Kaisers Heinrich 11., ohne irgend eine An- 
deutung von Individualität, beibehalten ist. Von den alten Motiven 
der meist sehr langen Figuren ist noch der Ausdruck von Feier 
und Würde am besten gelungen. Uebrigens sind sie öfter sehr 
lahm. So sind auch die überkommenen Motive der Gewänder sehr 
vereinfacht, und ohne Verständniss in mechanischer Weise wieder 
gegeben. Die Zeichnung ist sehr mangelhaft. Die Farben sind noch 
mehr gegen das Blasse und Helle gebrochen, als bei den gleichzei- 
tigen, byzantinischen Miniaturen. In den Fleischtheilen herrscht ein 
hellgelber, nächstdem ein bräunlicher, oder orange Ton vor. Bis- 
weilen ist er auch ganz weiss. In den Gewändern sind ein mattes 
Grün, ein helles Blau, ein lichtes Röthlich, vorwaltend. Bei den 
heiligen Personen ist meist das antike Kostüm beibehalten, bei allen 
ilbrigen aber das der Zeit in Anwendung gekommen. Der Gesammt- 
vindruek ist der einer kühlen, aber angenehmen Harmonie. I-Iiezil 
trägt auch die Farbe der Gründe bei, welche meist in verschiedenen, 
zart ineinander übergehenden Streifen besteht, deren unterster, wel- 
cher die Erde andeutet, grün, der darüber, die Luft, violettlich-blau, 
und zu oberst röthlich ist. Gelegentlich kommt aber auch der by- 
zantinische Goldgrund vor. Die Angabe von Schatten ist meist sehr 
gering. In dem grünlichen Ton derselben in dem gelben Fleisch 
ist wieder der byzantinische Einfluss sichtbar. Die Behandlung in 
Deckfarben ist sehr sauber, aber nicht mehr breit, sondern zart ver- 
schmolzenf Gelegentlich zeigen sich aber auch Bilder von roherem 
Machwerk, woran gar keine byzantinische Einwirkung wahrzuneh- 
men ist. In manchen Vorstellungen, worin die Künstler nicht durch 
ältere Typen bedingt worden, finden sich eigenthümliche und öfter 
glückliche Motive, welche eine Beobachtung aus dem Leben zeigen. 
Ja gelegentlich kommen, besonders als verzierende Begleitung der 
Canones, schon aus dem gewöhnlichen Leben genommene Vorstel- 
lungen vor, welche öfter von scherzhafter Natur sind. Die Initialen sind 
in einigen dieser Manuscripte sehr reich und geschmackvoll. Manche 
Verzierung der Ränder, z. B. das ä. la Grecque, verrathen noch antike 
Vorbilder, während andere mehr den gemischt fränkisch-irischen zei- 
gen, wie er in so manchen carolingischen Manuscripten vorherrscht
	        
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