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hat auch eine mässige Zahl von Blättern nach seinen eignen Erfin-
dungen mit vielem Geschick radirt.
Jooris- Hoefnagel, im Jahr 1545 in Antwerpen geboren,
genoss den Unterricht des Hans Bol, wurde aber, in Folge einer
sehr sorgfältigen Erziehung, ein Künstler von ungleich grösserer
Vielseitigkeit als jener. Er bereiste Frankreich, Spanien, Italien
und Deutschland, wo er früher in den Diensten des Herzogs von
Baiern in München, später in denen des Kaisers Rudolph II. in
Prag stand, jedoch in Wien lebte, wo er auch im Jahr 1600 starb.
Bei einer seltnen Leichtigkeit im Zeichnen und einem unermüdlichen
Fleiss, ist die Zahl der auf jenen Reisen von allen möglichen Ge-
genständen gemachten Zeichnungen, wie der von ihm ausgeführten
Miniaturen, erstaunlich gross, und sie umfassen alles Darstellbare,
heilige und weltliche Geschichte, Gegenden, Thiere, Pflanzen,
Blumen, Früchte, Edelsteine, Perlen u. s. w. Er verzierte vor-
zugsweise, nach der alten Art und Technik, Manuscripte. Am
berühmtesten darunter ist ein, jetzt in der Kaiserl. Bibliothek
zu Wien vorhandenes, römisches Missale (N0. 1784), welches er
für den Erzherzog Ferdinand, Herrn von Tyrol, geschmückt und
woran er vom Jahr 1582-1590, mithin acht Jahr, gearbeitet hat.
Man lernt hieraus den Künstler als einen sehr gebildeten Eklektiker
kennen, welcher sowohl die geistigen Beziehungen der früheren
Zeit, als die verschiedenen Arten der Verzierung und die Techniken
derselben gekannt, und mit ungemeinem Geschick in Anwendung
gebracht hat. Dabei ist ihm eine bisweilen sinnreiche, öfter aber
gesuchte Mystik eigen und verfällt er häufig in das Ueberladene
und Geschmacklose. Man findet gelegentlich bei ihm noch die
sinnbildlichen Vorstellungen der Armenbibel, in den historischen
Vorstellungen die Benutzung der Motive von Raphael und von an-
deren Künstlern, in den Ornamenten, abwechselnd die frühere
Weise der niederländischen, der deutschen und italienischen Minia-
turmaler, in der höchst meisterlichen Behandlung endlich ein glück-
liches Studium der Miniaturen des berühmtesten Malers dieser Art in
Italien im 16. Jahrhundert, Don Giulio Clovio. Nächstdem sind
noch zwei, für den Kaiser Rndolph II. ausgeführte Werke anzu-
führen, deren eins in vier Büchern die gehenden, die kriechenden,
die fliegenden und die schwimmenden Thiere, das andere, ver-
schiedene andere Materien behandelte. Häufig führte Hoefnagel
aber auch einzelne Blätter aus, wovon ich als Beispiel die 1573