Altchristlich-byznntinische Ep
10118.
Nüstern. 1 Dieses Manuscript ist, wie ein lateiuisches Gedicht
darin besagt, von einem Gottschalk geschrieben worden. Höchst
wahrscheinlich ist dieser, wie so oft in den Zeiten der Klosterkunst,
auch der Maler. Jedenfalls steht es fest, dass, mit seltenen Aus-
nahmen, bis gegen den Ausgang des zwölften Jahrhunderts die
Malerei nur von Mönchen ausgeübt wurde, wie denn die sämmt-
liche geistige Bildung bis um diese Zeit in dem Besitz der Klöster
und der Geistlichkeit war. Ungleich reicher ist ein zweites Evan-
geliarium an derselben Stelle (Supplement latin N0. 686), welches
aus der Kirche des heil. Medardus von Soisson stammt. Die Bilder,
welche ausser den Vorstellungen des Vorigen, noch die christliche
Kirche als ein Gebäude enthält, verrathen einen ungleich geschick-
teren Künstler. Zwei der Evangelisten sind besonders lebhaft be-
wegt. 2 Noch vorzüglicher aber ist der Künster, welcher die vier,
durchweg jugendlich aufgefassten Evangelisten in dem dritten Ma-
nuscript, einem Evangelistarium der Stadtbibliothek zu Trier aus-
geführt hat. Die Motive haben hier durchgängig etwas Grossartiges,
Edles und Freies und drücken sehr wohl die Begeisterung durch
den heiligen Geist aus. Bei dem Matthäus sind selbst die Gesichts-
züge edel zu nennen. Auf einer ungleich höheren Stufe der Aus-
bildung als diese Darstellungen menschlicher Figuren, befinden sich
indess die Ornamente der Ränder, der Canones und Initialen. Es
lassen sich darin vornehmlich zwei Elemente deutlich unterscheiden,
nämlich ein antikes, welches öfter, z. B. in dem a la Grecque,
in den Acroterien, Genien, Thieren in grosser Reichheit erscheint,
und ein irisches, worin sich in den künstlichsten, mit seltenster
Meisterschaft und Genauigkeit ausgeführten Verschlingungen ein
eben so origineller, als schöner Geschmack in der Eintheilung und
Ausfüllung des Raums, in allerlei Drachen und Schlangenwesen
das, für das ganze Mittelalter so charakteristische, phantastische
Element zuerst ausspricht. Diese, in den irischen Klöstern vom
6. Jahrhundert ab ausgebildete Kunstweise, war durch die zahl-
reichen, von Irland ausgehenden Apostel in verschiedene Länder
des Oontinents verbreitet worden. So in Frankreich und Schwaben
durch den heiligen Columban, in der Schweiz durch dessen Schüler
den heiligen Gallus (Stifter des Klosters St. Gallen), in Franken
durch den heiligen Kilian, in Belgien durch den heiligen Lievin,
rüber in meinen Kunstwerken und Künstlern in Paris.
S. 234. 2 Näheres darüber in dem angeführten Werke. S. 237.