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III.
Buch.
6. Kapitel.
Gegenstande in der Annenkirche zu Augsburg vom Jahr 1560
noch mehr ausspriehtß In der Schweiz zeigen die tüchtigen Bild-
HiSSß deß Hans Asper den Einfiuss Holbeius. Beispiele hiervon
gewähren die Portraite Zwinglis und seiner Frau in der Bibliothek
zu Z ürich, welche ich indess nicht gesehen habe.
Ein anderer Schweizer Maler, Nicolaus Manuel, genannt
Deutsch, aus Bern, geboren 1484, gestorben 1530, nimmt da-
gegen eine ungleich unabhängigere Stellung ein. 2 Obwohl ein dem
Holbein verwandtes, auf das Realistische gerichtetes Talent, ist er
doch in der Geistesart wesentlich von ihm verschieden. Auch er
behandelte an der Kirchhofsmauer des Dominikanerklosters zu Bern
in'46 grossen Frescobildern den Todtentanz mit vielem Humor.
Doch hat dieser nicht die furchtbar bittere Ironie des Holbeinischen,
sondern ist von mehr gutmiithiger undleichter Natur. S0 strei-
chelt der Tod dem Abt das fette Kinn, mit dem Kriegsmann mar-
chirt er, das Kind lockt er mit den lustigen Weisen seiner Pfeife.
Alle, bis auf den sich widersetzenden Narrn, lassen sich daher
dieses Gebahren des Todes ruhig gefallen. Leider ist dieses Werk
nur noch in Kopien vorhanden. 3 Da Manuel nicht bloss Maler,
sondern auch Dichter, Krieger, Staatsmann und Reformator war,
ist er in der Kunst nicht entfernt zu derDurehbildung von Holbein
gelangt, dem er auch an Schönheitssinn weit nachsteht. Seine
Bilder sind von sehr ungleic-hem YVerth. In seinen reichen und
öfter schönen landschaftlichen Hintergründen möchte man einen
Einfluss des Tizian erkennen, bei dem er sich um das Jahr 1511
in Venedig eine Zeitlang aufhielt. Im Museum zu Basel kann
_man ihn vollständig kennen lernen. Die Enthauptung des Johannes,
N0. 70, ist in der Auffassung, wie die Salome mit WViderwillen das
blutige Haupt von dem halbabgewendeten Henker empfängt, fein,
in der Ausführung, in einer treifliehen Färbung, sehr sorgfältig.
Letzteres gilt auch von David und Bathseba, N0. 68, von 1517,
welches einfarbig mit Lichtern in Weiss gemalt ist. Eine ebenso
behandelte Lucretia von demselben Jahr, N0. 69, zeigt dagegen
sehr plumpe und ungeschlachte Formen. Von zwei anderen, in
Leimfarben auf Leinwand gemalten, Bildern macht das eine, welches
zwei Vorgänge aus der Geschichte von Pyramus und Thisbe dar-
1 S. Kunstwerke und Künstler in Deutschland Th. II. S. 62 und
Dr. C. Grüneisen, Nicolaus Manuel. Stuttgart 1837. S. 156-194.
sind zu Bern bei R. Haag und Comp. Lithographien erschienen.
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2 S.
Hienach