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III.
Buch.
Kapitel.
Mit welchem edlen Geschmack er Vorgänge aus dem Leben be-
handelte, beweisen drei Zeichnungen an derselben Stelle, eine Frau
mit drei Kindern, eine andere im Bette mit sechs Kindern, und
Heinrich VIII. allein bei Tafel. 1 Unter den Kupferstichen nach
seinen Zeichnungen hebe ich als Beispiel, in welchem Grade er
reichen, historischen Compositionen gewachsen war, nur den Be-
such der Königin von Saba bei Salomo von Hollar hervor. Weit
die grösste Fülle von Compositionen gewähren indess die reichen
Folgen der, nach seinen Zeichnungen, zum Theil von höchst ge-
schickten Händen, vor allen von Hans Lützelburger, ausgeführten
Holzschnitte, 2 welche, mit wenigen Ausnahmen, der Zeit vor seiner
Uebersiedelung nach England angehören. Die eigenthümlichsten
und geistreichsten Erfindungen enthält die Folge des Todtentanzes,
welche, mit Ausnahme von einzelnen früheren Probedrncken, zuerst
in 41 Blättern in Lyon herausgekommen, und in einer anderen,
ebenda im Jahr 1547 erschienenen Ausgabe um 12 Blätter ver-
mehrt worden sind. Von dem in diesen Erfindungen herrschenden
Geiste ist schon oben die Rede gewesen. Dieser Gegenstand sagte
der Sinnesweise Holbeins in dem Maasse zu, dass er denselben
noch in ganz verschiedenen Compositionen, in einem ebenfalls in
Holz geschnittenen Alphabet, und auf einer, in mehreren Exem-
plaren vorhandenen, Zeichnung für eine Dolchscheide behandelt hat.
Auch eine Frau mit dem Tode, wunderschön _mit Weiss und Schwarz
auf grauem Papier gezeichnet, vom Jahr 1525 in der Sammlung
des Erzherzogs Albrecht dem Hans Lützelberger beigemessen, halte
ich von der Hand des Holbein. Nächstdem verdienen die Holz-
schnitte zum alten Testamente, deren älteste, ebenfalls im Jahr
1538 in Lyon erschienene Ausgabe 90 Vorstellungen enthält, von
denen indess die ersten vier die des grösseren Todtentanzes sind,
wegen der ausgezeichneten Erfindungen hervorgehoben zu werden.
Ihnen schliessen sich würdig die Holzschnitte zu zwei anderen
Alphabeten an, deren das eine Tänze von Bauern, das andere
Tänze von Kindern enthält. Die so höchst seltnen Holzschnitte zu
dem Katechismus des Erzbischofs Cranmer sind ungleich minder
1 S. Treasnres Th. IV. S. 36 f. 2 In dieser Ansieht sclxliesse ich mich
Sotzmann im Tübinger Kunstblatt 1836, N0. 30-32, und P. Vischer ebenda. 1838,
N0. 50-54, 1843, N0. 15 und 102, 1846, N0. 27 an. Dagegen behaupten andere,
an deren Spitze von Rumohr steht, I-Iolbein sei selbst Formsehneider gewesen.
S. Rumohr, H. Holbein in seinem Verhältnisse zum deutschen Formschnitt. Leipzig
1836, und eine Erwiderung gegen Sotzmann, ebenda.