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III.
Kapitel
neuen Weise gewährt das in Lebensgrösse, in ganzer Figur, sicher
im Jahr 1539 ausgeführtel Bildniss" von Christine, Wittwe des Her-
zogs von Mailand, um deren Hand der König nach dem Tode der
Jans Seymour anhalten liess, in Arundeleastle, dem Sitz des Her-
zogs von Norfolk. 2 Die Hände sind von besonders feiner Zeich-
nung. In noch höherem Maasse tritt aber dieser zartröthliehe Ton
in dem schönen, sicher im Jahr 1540 ausgeführten, Bilde der Anna
von Oleve, vierten Gemahlin des Königs im Louvre, No. 211, her-
vor. 3 Vortreffliche Bildnisse in dieser Weise sind ausserdem die,
König Edward VI. als Kind in Sionhousef in der Sammlung des
Lord Yarborough in Londonf und in dem Schlosse Herren-
hausen in der Nähe von Hannover , desselben Herrn, als Knaben
in Burleighhouse, 6 so wie die, König Heinrich VIII. in Petworth, 7
und in Serlby, letzteres mit dem Jahr 1543 bezeichnetß endlich
das Bildniss einer jungen Frau, in dunkler Kleidung, mit einer gold-
verzierten Haube und einem goldnen Brustschmuck, in halber Le-
bensgrösse, in der Gallerie zu Wien. Ungefähr im Jahr 1546 trat
noch einmal und zuletzt eine Veränderung in der Art des Colori-
rens seiner Bildnisse ein, insofern er, auch hier mit Beibehaltung
der grauen Schatten, dem Fleische einen hellgelblichen Lokalton
gab. Bildnisse dieser Art sind das Heinrich VIII. in WVindsorcastle,
so wie das seines Sohns Edward VI., ebendaßl In diese Zeit fällt
auch das grosse Bild in Bridewell Hospital mit Edward als König.
Der üble Zustand und die hohe Stelle dieses Werks, des umfang-
reichsten aus der spätesten Zeit Holbeins, lassen indess ein näheres
Urtheil nicht mehr zu. 10
Auch als Miniaturmaler, worin er nach van Mander, 11 seinen
Lehrer Luccs, den er am Hofe Heinrich VIII. fand, in kurzer Zeit
weit übertraf, war Holbein von seltcnster Vortreiflichkeit. Ich be-
gnüge mich hier nur die Bildnisse Heinrich VIII. und der Anna
von Cleve zu nennen, welche sich in der Sammlung des Colonel
Meyrick in England befinden. Letzteres nennt Walpole, das aller-
vollkommenste von allen Werken Holbeins.
1 Dieseg erhellt aus einer gleichzeitigen Notiz vom 30. Dezember dieses Jahrs,
dass Holbein für eine Reise nach Hochburgund von dem Könige 10 Pfund Sterling
erhalten habe. NValpole Anecdotes Th. I. S. 161. 9 S. Treasures Th. III. S. 29.
3 S. Kunstwerke und Künstler in Paris S. 552. Dieses Bild ist von Hollan-
gestochen. 4 S. Treasures Th. V. S. 269. ß Ebenda Th. IV. S. 67.
ß Ebenda Th. III. S. 407. V Ebenda III. S. 41. H Ebenda Th, 1v_ S, 511
9 Ebenda ThJII. S. 31 f. 10 Für verschiedene sonstige Portraite von Holbein
muss ich auf die Notizen in meinen Treasures verweisen. 11 Im angef. Sverk,
Blatt 143 b.