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III.
Buch.
Kapitel.
sondern durch das Maass der (larin aufgewandten Kunst bestimmen
lassen, ein Gegenstand grosser Bewunderung, denn die reizlose und
verdriessliche Frau mit gerötheten Augen. das unschöne Mädchen
und der verkümmerte Knabe sind gewiss nicht anziehend. Die
Auffassung ist aber von einer so einfachen, anspruchlosen Wahr-
heit, die Wiedergabe der völligen Formen so meisterhaft, die Fär-
bung, mit etwas grauen Schatten, so hell und klar, die Behandlung
so frei und leicht, dass man sich ihnen zu Lieb jene Unschönheit
der Dargestellten gern gefallen lässt, ja selbst das sehr Zufällige
und Kunstlose der Anordnung in den Kauf nimmt. Der einseitige
Realismus befindet sich hier auf seiner vollen Kunsthöhe. In dieser
Zeit dürfte er auch das Bildniss des Erasmus ebenda N0. 28, aus-
geführt haben. In einem Briefe desselben an Thomas Morus vom
5. September 1529, bezeugt er seine grosse Freude über eine, ihm
von Holbein mitgebrachte Darstellung desselben mit seiner ganzen
Familieß Diese ist wohl ohne Zweifel der, jetzt im Museum zu
Basel sehr geistreich mit der Feder ausgeführte, Entwurf2 zu dem
berühmten, leider jetzt verschollenen Gemälde, von dem man sich
indess durch eine alte, in vielen Theilen vortreffliche Copie in No-
stall Priory, dem Sitze der Familie Wynn, in Yorkshire, noch eine
sehr gute Vorstellung machen kann. 3 Dasselbe enthält in bequemer
Anordnung zehn ganze, lebensgrosse Figuren von ausserordentlicher
Wahrheit und Lebendigkeit der Köpfe, grosser Freiheit der Motive
und meisterhafter Durchführung aller Theile Da das Alter des
Sir Thomas auf jener Zeichnung auf 50 Jahr angegeben ist, mag
er nur diesen Entwurf im Jahr 1529, das Gemälde aber erst nach
seiner Rückkehr nach England im Jahr 1530, in welchem er jenes
Alter wirklich erreichte, ausgeführt haben. Aus demselben Jahr
rührt auch das in dem Helldunkel so ausgebildete, in der Model-
lirung so feine Bildniss des Dr. Stokesby, Bischofs von London, in
Windsorcastle, her. 4 Nach der ganzen Kunstform möchte er das
meisterhafte Bildniss König Heinrich VIII. zu Warwickcastle eben-
falls etwa um dieselbe Zeit gemalt haben. Das Jahr 1532 bildet
den Uebergang zu einer neuen Wandelung in Holbeins Kunst. Das
mit diesem Jahr bezeichnete Bildniss des Kaufmanns Stallhof in
Windsorcastle verbindet mit zunehmender Feinheit der Zeichnung
1 S. Hegner a. a.
land Th. II. S. 284.
S. 481.
Orte S. 235.
1 S. Trensures
9 S. Kunstwerke und Künstler in Ileutsch-
Th. III. S. 333 E. 4 S. ebenda Th. II.