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III.
lpitel.
darin erreicht haben würde, wenn ihm Aufgaben dieser Art öfter
zu Theil geworden wären.
Mit welchem ausserordentlichen Erfolg er auch Gegenstände der
kirchlichen Malerei, worin ein starkes Pathos erforderlich ist, be-
handelte, zeigen einige Darstellungen seiner berühmten, in acht
Abtheilungen zerfallenden Passion im Museum zu Basel, welche
in Kolorit und Behandlung auffallend an das schöne Bild aus dem
Leben des heiligen Paulus von seinem Vater in Augsburg erin-
nert. Die Kreuzigung und die Grablegung, welche in der Haupt-
gruppe an Raphaels Grablegung im Palast Borghese gemahnt, sind
nicht allein in der Composition, sondern auch in der Empfindung
und in der Durchführung von seltner Vortrefflichkeit, und in dem
Christus am Oelberg ist eine Schönheit und Tiefe des Schmerzes,
Welche dem berühmten Bilde des Correggio in der Sammlung des
Herzogs von Wellington in London, kaum naehzustehen braucht-
Eins dieser Bilder ist die Verspottung Christi (Fig 45). Es würde
als unglaublich erscheinen, dass diese Bilder dieser früheren Zeit
des Meisters angehören, wenn nicht starke Verzeichnuiigen, widrige
Caricaturen, und Ueberfüllungen in anderen Darstellungen, z. B. in
der Geisselung und der Kreuztragung, nur in dieser früheren Zeit
ihre Erklärung fänden. Einige andere Bilder aus dieser Epoche,
welche einen entschiedenen Einfluss des Leonardo da Vinci zeigen,
machen es wahrscheinlich, dass Holbein in dieser Zeit einen, wenn
auch nur vorübergehenden, Besuch im nördlichen Italien gemacht
hat. In einem derselben, einem Abendmahl, No. 33, im Museum
zu Basel, woran indess ein Stück fehlt, findet sich in der symme-
trischen Anordnungy in den edleren Köpfen, zumal in dem Christi,
in einer gewissen Allgemeinheit der Behandlung, ein unverkennbarer
Einiiuss von Leonardos Abendmahl in Mailand. Nur in dem
Kopfe des Judas, einem Juden von fnrchtbarer Gemeinheit, macht
sich der Realismus des Holbein in seiner ganzen Stärke geltend.
In dem anderen ebenda, unter N0. 21, befindlichen Bilde, einem
todten Christus, vereinigt sich dieser Realismus in der grössten
Herbigkeit mit dem, dem Leonardo eignen Bestreben zu modelliren.
Kaum würde man glauben, dass diese grünlichblasse Gestalt mit
unterlaufenem Blut, virorin das Modell eines gewaltsam Getödteten mit
einer, für einen dreiundzivanzigjiihrigen Künstler, erstaunenswürdi-
gen Meisterschaft gezeichnet und in allen Theilen abgerundet ist,
einen Christus darstellen soll, wenn nicht die Aufschrift: „Jesus