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III.
Buch.
Kapitel.
Selbst höchst kunstreiche imd mannigfaltige Muster verschlun-
gener Linien zum Sticken, von ihm selbst "Knoten" genannt, hat
Dürer gelegentlich für den Holzschnitt gezeichnet, wie die sechs
von Bartsch, No. 140-145, beschriebenen, beweisen.
In Rücksicht des grossen Einflusses, welchen Dürer auf die
Kunst seiner Zeit übte, steht er wieder auf einer Linie mit Raphael
und Michelangelo. Zuvörderst wurde mit seiner Auffassung auch
seine Malweise durch unmittelbare Schüler, oder treue Nachfolger
in verschiedenen Gegenden Deutschlands verbreitet. Ungleich all-
gemeiner aber war die Einwirkung, welche er durch seine Kupfer-
stiche und Holzschnitte ausübte. Derselbe umfasste nicht allein
ganz Deutschland, er verbreitete sich zunächst auch nach den Nie-
derlanden, ja selbst in Italien, Frankreich und Spanien ist derselbe
nachzuweisen. Theils wurden die darin enthaltenen schönen Com-
positionen vielfach zur Ausführung von Bildern benutzt, wie sich
denn dieses, für einzelne Motive, selbst von einem so grossen Maler,
wie Andrea dcl Sarto nachweisen lässt, theils wurden die Künstler
dadurch in der weiteren Ausbildung der Kupferstecherkunst, und
des Holzschnitts auf das Ausserordentlichste gefördert, wofür ich
hier, da die Geschichte dieser Künste ausserhalb des Zweckes dieses
Handbuchs liegt, ausser den, in etwas nähere Erwägung zu ziehen-
den Arbeiten seiner Schüler und Nachfolger in Deutschland, für
Italien nur den berühmten Marcanton und die Formsclmeider der
venezianischen Schule anführen will.
Obgleich aber nun alle die hier zu betrachtenden Schüler und
Nachfolger Dürers Männer von mehr oder minder ausgezeichnetem
Talent waren, hält doch keiner von ihnen auch nur entfernt mit
ihm einen Vergleich aus. Als Kupferstecher werden sie unter dem
Gesammtnamen der kleinen Meister begriffen. Dieselben zerfallen
in so fern wieder in zwei Klassen, als einige mehr der deutschen
Knnstweie des Meisters treu blieben, andere aber sich einem mehr
oder minder starken Einfluss der italienischen Kunst hingeben. Ich
"ziehe zunächst die ersteren in Betracht.
Am engsten dürfte sich dem Dürer Hans Wagner, nach seinem
Geburtsort in Franken, Hans von Kulmbach genannt, anschliessen.
Seine Eründungskraft beschreibt einen ziemlich engen Kreis meist
kirchlicher Darstellungen, auch steht er dem Dürer als Zeichner
weit nach, doch ist er in seinen besten Bildern an Reinheit des
Naturgefühls, wie an Geschmack seinem Meister fast überlegen.