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III.
Bucl
Kapitel.
vollendetsten des Meisters, wo die Maria von eigenthümlicher Grazie,
das, einen Apfel haltende, Kind von rührender Wehmuth ist, oder
in dem Blatt N0. 39, vom Jahre 1518, wo jenes Gefühl der Weh-
muth in den Köpfen von Mutter und Kind anklingt. Endlich stellt
er sie auch in erhabener Auffassung im himmlischen Glanze auf
dem Halbmond stehend, mit dem göttlichen Kinde dar, wie in
N0. 30, einer schlanken Gestalt voller Grazie, von tiefster Wehmuth
des Ausdrucks, oder in N0. 32, vom Jahre 1516, wo sie, in höchst
edlem Motiv mit Scepter und Sternenkrone, recht eigentlich als
Himmelskönigin erscheint.
In der Grossartigkeit der Auffassung, dem edlen und breiten
Wurf der Gewänder, schliessen sich hier die Blätter mit den Aposteln
Paulus, No. 50, vom Jahre 1514, bei dem indess noch einige knit-
trige Brüche den Gang der grossen Falten stören und Philippus,
N0. 46, vom Jahr 1526, der sich auch durch das höchst edle Profil
auszeichnet, würdig an.
In einer andern Anzahl von Kupferstichen ist Dürer nicht allein
seiner Liebe zur Darstellung von Landschaften und Baulichkeiten
noch ungleich mehr im Einzelnen nachgegangen, als in den Holz-
schnitten, sondern hat auch glänzende Proben seiner Einsicht in
die Gesetze des Helldunkels gegeben, wie beides hier die Technik
ungleich mehr zuliess. Besonders ausgezeichnete Blätter sind fol-
gende für die Architektur. Die Geburt Christi, N0. 2, vom Jahre
1504. Hier ist das etwas verfallene Haus, worin die sehr kleine
Maria das Kind verehrt und der Hof, in welchem Joseph Wasser
schöpft, bei weitem die Hauptsache und in der That von treiilicher
Zeichnung und meisterlicher Ausführung. Der heilige Antonius,
N0. 58, vom Jahre 1519, welcher lesend im Vorgrunde sitzt, wäh-
rend der ganze Hintergrund von einer Stadt mit Mauren eingenom-
men ist. Diese verdient wegen der allgemeinen Haltung, welche
darin, bei der genauesten Angabe der Einzelheiten, durchgeführt
ist, grosse Bewunderung. Das Meisterstück von Dürer für eine
innere Ansicht einer Räumlichkeit ist indess sein heiliger Hieronymus
in seinem Gemach, oder wie Dürer davon sagt: „lm Geheiss"
N0. 60, vom Jahre 1514. Um zuerst den geistigen Gehalt in's
Auge zu fassen, so ist es dem Meister in diesem, von der, durch
die kleinen Scheiben des grossen Fensters hereinbrcchenden, Sonne
erhellten Zimmer, in welchem im Hintergruude der Heilige am Fenster
im Studium vertieft ist, im Vorgrunde sein treuer Löwe und ein