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III.
Buch.
Kapitel.
Landschaft gelegt. Die Beschneidung, N0. 86, eine durch Deut-
lichkeit und Schönheit meisterliche Oomposition vieler Figuren. Die
Flucht nach Aegypten, N0. 89. In diesem Blatte wird das Interesse
zwischen der Lebendigkeit und Naivetät der Figuren und der mit
grosser Liebe ausgebildeten Waldlandschaft, worin ein Palmbaum
mit Früchten, getheilt. Die Ruhe auf der Flucht. N0. 90. Man
würde versucht sein in diesem, bei der Arbeit beschäftigten, Joseph,
in dieser Maria mit dem Kind in der Wiege, nur einen gewöhn-
lichen Zimmermann mit den Seinen zu sehen, wenn nicht eine
Menge höchst anziehender Kindesengel sich bei der Arbeit des
heiligen Josephs mit dem Sammeln, dem Forttragen der Späne u. s. w.,
zu schaffen machten. Gerade darin, dass die so schlicht aufge-
fassteil Maria und Joseph die Hülfe dieser überirdischen Wesen, als
ganz natürlich geschehen lassen, liegt der eigenthümliche Reiz dieser
Oompositicn. Auch die Räumlichkeit, der grosse Hof eines Gebäudes,
welches in den Ruinen eines antiken Tempels, in der bekannten
symbolischen Beziehung, dass das Christenthum sich auf den Trüm-
mern des Heidenthums erhebt, errichtet ist, hat Dürer hier mit
besonderer Sorgfalt ausgebildet.
Der Abschied Christi von seiner Mutter vor seinem Leiden,
N0. 92, ist höchst einfach und edel aufgefasst. Der Tod der
heiligen Jungfrau, No. 93. In dieser grossartigen, mit 1510 be-
zeichneten, Composition steht Dürer völlig auf derselben Höhe mit
Raphael. Der Eindruck des Feierlichen im Ganzen ist hier mit
dem tiefsten Gefühl in den einzelnen Köpfen verbunden.
Würdig schliesst sich zunächst dieser berühmten Folge der
Holzschnitt der im Freien sitzenden Maria mit dem Kinde vom
Jahre 1518, No. 101, an, welche von zum Theil sehr schönen
Jünglings- und Kinderengeln umgeben ist, von denen einige musi-
ciren, einer dem Kinde Trauben darreicht, zwei die Krone über
ihrem Haupte halten (Fig. 41).
Auch in seinen Kupferstichen hat er die heilige Jungfrau mit
dem Kinde treülich in den verschiedensten Auffassungen dargestellt,
Bald erscheint sie mehr bürgerlich-mütterlich, wie in dem Blatt,
N0. 34, vom Jahr 1503, wo sie, im Ausdruck innigster Mutter-
freude, das Kind säugt, oder in demBlatt N0. 38, vom Jahre 1520,
wo sie das gewickelte, schlafende Kind voll tiefen Ernstes betrachtet.
Bald ist sie in edleren, schöneren und völligeren Formen aufgefasst,
wie in dem Blatt N0. 40, vom Jahr 1514, auch als Stich, einer der