Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

Epoche von 1500 bis 1550. 
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Gestalten, in ergreifendster Weise vor Augen. Ich kann hier nur 
einzelne Züge der reichen Schöpfung hervorheben. S0 die Gr0ss- 
artigkeit des, zwischen den sieben Leuchtern thronenden, Alten, im 
Motiv, wie im Wurf des Gewandes, und die tiefe Demuth des in 
Verehrung knieenden Johannes, No. 62, das dramatische und Man- 
nigfaltige in den Motiven der 24 anbetenden Aeltesten, No. 63, 
welche in der Regel so einformig ausgefallen sind, die Verzweif- 
lung der hingestürzten Fürsten, namentlich eines Kaisers, über 
welche, bei Eröffnung des 6. Siegels, das Verderben hereinbricht, 
No. 65, die erhabene Poesie in den, im höchsten Styl angeordneten, 
sieben posaunenden Engeln, N0. G8, das Augenblickliche und Ge- 
waltige in den vier Racheengeln, welche die Grossen der Erde zer- 
schmettern, N. 69, und fast vor Allem die Grossartigkeit des Motivs 
in dem, den Satan bekämpfenden Erzengel Michael, No. 72, wie 
er der ungeheursten Anstrengung bedarf, um mit der, mit beiden 
Händen erfassten Lanze, den übergewaltigen Erbfeind in den Ab- 
grund zu stürzen. (Fig. 39.) 
Recht im Gegensatz hiermit gehören die Gegenstände in einigen 
Kupferstichen ganz der Erfindung auf dem Gebiete des Phantastischen 
von Dürer selbst an. Den Gegenstand der berühmtesten davon 
(B. No. 98) vom Jahr 1513, könnte man kurz mit den Worten be- 
zeichnen: „den tapfren, frommen Rittersmann, ficht weder Tod noch 
Teufel an." (Fig. 40.) Das Eigenthümliche der Auffassung liegt 
hier in der unerschütterlichen Ruhe des Ritters in Haltung und 
Ausdruck, welche er den ihn bedrohenden Unholden entgegensetzt, 
während alle sonstigen Darstellungen dieser Art den Ritter entweder 
im verzweifelten Kampf, oder in schreckerfüllter Flucht erscheinen 
lassen. Dieses Blatt, welches zu den vollendetsten des Künstlers 
gehört, hat zugleich eine allgemeine Bedeutung von grosser Tiefe. 
Es ist eine Warnung an einen jeden, sich auf seinem Lebenswege 
so zu halten, dass er, gleich jenem Ritter, sich vor jenen unheim- 
lichen Gewalten nicht zu fürchten braucht. Ich führe hier noch, 
als zunächst am bedeutendsten, das Blatt, die Melancholie vom Jahr 
1514, No. 74, an. In dieser mächtigen, geilügclten Frau, welche 
in sich versunken, dasitzt, hat Dürer in höchst origineller und geist- 
reiche? Weise das Gefühl der Unzulänglichkeit menschlichen Grü- 
belns über die Räthsel, welche das Leben, die Natur, wie die Wis- 
senschaft, enthalten, so wie über die Vergänglichkeit aller Dinge, 
atusgedriickt. Das erstere ist durch die verschiedenen Symbüle der
	        
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