Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

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III. 
Buch. 
Kapitel. 
den Händen hält, der hinter ihm stehende Petrus bückt sich in 
ähnlichem Bestreben vornüber. Paulus, die Hauptfigur auf dem an- 
deren Bilde, und ebenfalls im Profil, hält ein zugemachtes Buch 
und Sohwerdt, und blickt sehr streng über die Schulter. Der hinter 
ihm stehende Markus sieht, lebhaft sprechend, zu ihm auf. Der 
Grund ist schwarz. Der Johannes und der Paulus sind ohne Zweifel 
die beiden grossartigsten Figuren, welche Dürer gemalt hat. In 
den edlen Köpfen findet sich eine gewisse Vereinfachung der Formen 
und eine tiefe Charakteristik, die Motive sind wahr und würdig, 
die Falten der Gewänder fallen in breiten, einfachen Brüchen vom 
reinsten Geschmack. Die Auffassung des Petrus ist ungleich we- 
niger bedeutend, die des Markus hat sogar etwas Gewaltsames und 
Abstossendesß Die Fleischtheile sind, bis auf den sehr blassen 
Kopf des Markus, von einem warmen, braunröthlichen Ton, das Ge- 
wand des Johannes ist zinnoberroth , das des Paulus bläulich weiss, 
die Gesammthaltung trefflich. Die Modellirung aller Theile ist sehr 
sorgfältig, indess haben einige Lichter im Kopf des Paulus etwas 
Metallnes. Dagegen ist sein Gewand, welches, von grosser Tiefe 
in den Schatten, durch eine Reihe von Mitteltönen, in den höchsten 
Lichtern fast bis zum Weissen steigt, höchst bewundcrungswürdig. 
Obgleich im Ganzen gut impastirt, schimmert doch auch hier hie 
und da die Vorzeichnung durch. 
Einige Bildnisse aus diesem Jahr beweisen, dass Dürer auch 
in dieser Gattung, sowohl in der Energie und Lebendigkeit der 
Auffassung, als in der Sicherheit und Meisterschaft des Machwerks, 
noch immer im Fortschreiten war. Das bedeutendste unter diesen 
ist das Bildniss des siebenundfünfzigjährigen Hieronymus Holtzschuhr, 
eines Freundes des Malers, welches noch heut in dieser bekannten 
Patrizierfamilie zu Nürnberg aufbewahrt wird. Haar und Bart, 
ganz weiss, deuten auf ein weit höheres, die Fülle und der kräftige 
Wuchs derselben, noch mehr das Leuchtende der Augen, die Le- 
bensfrische der Züge und des Ausdrucks, auf ein jüngeres Alter. 
1 Dass Dürer in diesen vier Aposteln zugleich die vier Temperamente hat 
darstellen Wollen, "scheint mir nicht wahrscheinlich. Schon die älteste Nachricht 
darüber, bei NeudorHer S. 37, beweist in der Art des Ausdrucks, dass diese Be- 
deutung erst von anderen hineingelegt worden ist, er sagt nämlich; wdgyinnen 
man eigentlich einen Sanguineum, Cholerieum, Püegmaticum und Melancholicum 
erkennen mag." Hiebei soll nun Petrus den Pfiegmatischen vorstellen? Wer kann 
aber glauben, dass der mit dem Evangelium so vertraute Dürer diesen Apostel 
zum Vertreter einer Eigenschaft gemacht haben sollte, welche mit seinem ganzen 
Wesen im grellsten Widerspruch steht!
	        
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