Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

208 
III. 
Kapitel 
ilorentinischen Krieger Veranlassung genommen, seine hohe Meister- 
schaft in den augenblickliehsten und anstrengendsten Bewegungen, 
den kühnsten Verkürzungen zur Geltung zu bringen, so hat Dürer 
offenbar diesen Gegenstand benutzt, um nicht allein von seinem 
Wissen in diesen Beziehungen, sondern auch von Allem, was er 
in der Färbung, Modellirung und im Vortrag des Pinsels vermochte, 
ein Zeugniss zu geben. Wenn dieses Xlferk, sowohl in dem gei- 
stigen Gehalt, als in der Composition, von mehreren andern Bil- 
dern Dürers weit übertroffen wird, so halte ich es doch in allen 
jenen Stücken für das Vollendetste, was er überhaupt gemalt hat, 
wie er denn auch selbst besonders davon befriedigt gewesen ist. 1 
Für kein anderes Bild hat er so viele treffliche Naturstudien ge- 
macht, und in der grossen Zahl der bewegtesten Motive, der 
schwierigsten Verkürzungen ist nicht bloss die grosse Meisterschaft, 
sondern in vielen auch die Schönheit zu bewundern. Auch in den 
Köpfen herrscht eine grössere Mannigfaltigkeit, als auf anderen 
Bildern von ihm, und dasselbe gilt ebenso von den Tönen imFleische, 
welche von dem kühlen, durch das Gelb der Todten, zu dem Gol- 
digen und Röthlichen in seltner Klarheit abgestuft sind. Die übrigen 
Farben sind ebenso von ungemeiner Kraft und Sättigung, wenn 
gleich in der Gesammtwirkung, besonders durch das -zu brillante 
Lapislazuli, bunt. Dabei sind Hände und Füsse von seltner Fein- 
heit der Durchbildung, die Falten weicher und wahrer, als gewöhn- 
lich, die Modellirung und das, bei einem gediegenen Impasto, Ver- 
schmelzende des Vortrags, vortrefflich. Ich erkenne in diesem Bilde 
die doppelte Frucht von Dürefs Studien der Werke des Andrea 
Mantegna, dessen berühmte Frescobilder bei den Eremitanern in 
Padua er auf seiner Reise nach Venedig ohne Zweifel gesehen hat, 
für die Zeichnung, des Giovanni Bellini für die Malerei. 2 
Die Lucretia aus demselben Jahr in der Pinakothek, No. 93, 
ist vollends nur aus dem Gesichtspunkt eines sehr sorgfältigen 
Studiums nach einem nackten und überdem keineswegs schönen 
Modell anzusehen. Die kleinlichen, verzwiokten Züge des hässlichen 
l "Ich wolt," sagt er an der letzten Stelle, "das ihr meines genedigen Herrn 
Taifel sehet ich halt davor sie würde euch wol gefallen." Hier erfahren wir auch 
Genaues über den Preis, und in Betracht der darauf gewendeten Zeit, nur geringen 
Befriedigung des Meisters: _„Ich hab schir ein gnntz Jahr daran gemacht vnd 
Wenig gewins daran wan mir wirdt nit mehr den 280 gulden Reinisch dafür, ver- 
zerts einer schir darob."  2 Bekanntlich hat Dürer dieselbe Composition, doch 
in manchen Theilen verändert und vereinfacht, auch für den Holzschnitt gezeichnet. 
Vergl. Bartsch Th. VII. S. 140. N0. 117.
	        
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