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III.
Buch.
Kapitel
den ausserordentlichen Unterschied mit dem obigen, nur zwei Jahr
früher gemalten Bildniss hervor. Die edlen, bedeutenden, ungleich
kräftigeren Züge drücken hier in sehr ernster Weise das volle Be-
wusstsein der "Meisterschaft aus. Die Zeichnung ist vortrefflich, die
Umrisse etwas hart. In dem Bestreben möglichst sorgfältig zu mo-
delliren ist er im Lokalton des Fleisches in das Schwere, in den
Lichtern hie und da in das Metaliglänzende, in den Schatten in
das Dunkle gerathen, und macht das reiche, höchst ausgeführte
Haar, welches auf die Schultern herabfällt, durch die zu verein-
zelten Lichter der vielen kleinen Parthien keine angenehme XVir-
kung. Auch ist das Motiv der Hand geschmacklos.
Die Trauer über den Leichnam Christi, eine reiche, mit dem-
selben Jahr bezeichnete Composition, N0. 66 der Pinakothek, ist
ein Beleg für die minder glücklichen Eigenschaften Dürers. Der
magere und bleiehe Christus hat etwas Grässliches, die meisten
Köpfe sind hässlich, die Fleischtöne der Frauen sehr grau, die
Wirkung sehr bunt, selbst die Oomposition überdrängt. Dagegen
ist der Ausdruck von grosser Wahrheit, in der Maria selbst höchst
edel, die Ausführung in allen Theilen, auch der Landschaft, sehr
sorgfältig.
Mit demselben Jahr ist auch Hercules, der nach den Harpyen
schiesst, bezeichnet. Ich führe dieses, an sich nicht bedeutende,
im Landauer Brüderhause zu Nürnberg N0. 163, befindliche, in
Leimfarben auf Leinwand ausgeführte, Bild als eins der seltnen Bei-
spiele an, dass Dürer Gegenstände aus der antiken Mythologie be-
handelt hat. Wie geistreich auch hier die Oomposition ist, so
gehören doch grade die dem künstlerischen Genius Dürers abgehenden
Eigenschaften der Formenschönheit und der Grazie zu sehr zu einer
angemessenen Darstellung aus diesem Kreise, als dass sie beson-
ders befriedigen könnten. Dasselbe gilt in noch ungleich höherem
Grade von einigen seiner Kupferstiche aus demselben Kreise.
Ein Beispiel in wie eng bürgerlicher Anschauungsweise gelc-
gentlich von ihm die Maria gefasst wurde, ist ihre mit 1503 be-
zeichnete Darstellung mit dem von ihr gesäugten Kinde in der Ga-
lerie zu Wien. Die Bildung von Augen und Mund ihres dicken
Kopfes haben hier überdem etwas Manierirtes. Das Haar ist da-
gegen mit gewohnter Meisterschaft hingeschrieben,
Das bedeutendste Bild vom Jahr 1504 ist eine Anbetung der
heiligen drei Könige, welches, ursprünglich für den Kurfürsten von