Epoche von 1500 bis 1550.
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Kreis zogen. In diesem Reichthum geistreicher Erfindungen, in der
Stylgemässheit der Oomposition, in der Meisterschaft der Zeichnung,
waren die deutschen den gleichzeitigen niederländischen Malern,
einem Quintyn Massys, einem Lucas van Leyden etc. , entschieden
überlegen. Dagegen blieben sie auch in dieser Epoche in
der Ausbildung des Colorits, mit wenigen Ausnahmen, zu-
rück, und herrscht auch in der Behandlung, sowohl in Angabe der
Umrisse, als in dem häufigen Schraffiren in den Schatten, das Zeich-
nen vor, wodurch ihren Bildern eine gewisse Härte eigen bleibt.
Sie kommen endlich in der Ausbildung des Einzelnen, wiewohl der
Goldgrund, mit wenigen Ausnahmen, abgethan ist, und landschaft-
liche Hintergründe öfter sehr ausgebildet, ja in einzelnen Fällen
selbst Landschaften nur um ihrentwillen gemalt werden, den Nie-
derländern nicht ganz gleich. Ungleieh mehr aber befinden sie sich
den gleichzeitigen italienischen Malern gegenüber in Nachtheil.
Wenn es ohne Zweifel zum Theil in ihrem geistigen Kunstnaturell,
so wie in den minder günstigen Bedingungen der Schönheit der
Menschen, der Natur und des Klimas liegt, dass sie nicht zu jener
ideellen Auffassung, zu jener Vereinfachung und Schönheit der For-
men, zu jener Grazie in den Bewegungen gelangten, welche den
Werken eines Lionardo, eines Raphael, eines Oorreggio, den gröss-
ten Zauber verleihen, so findet die Thatsache, dass sie selbst in
der, ihnen eigenthümliehen, Kunstweise nicht zu der ganz
freien und in allen Theilen, Form, Farbe und Helldunkel, harmo-
nischen Ausbildung der Italiener gelangten, in verschiedenen ande-
ren Ursachen ihre Erklärung. Der dem Mittelalter eigenthümliche
Hang zum Phantastischen in der Kunst, welcher zwar sehr geist-
reiche Werke erzeugt hat, jedoch der Entfaltung reiner Schönheit
nicht günstig ist, war, wie Kugler richtig bemerkt, den Deutschen
auch in dieser Zeit, in welcher die Italiener ihn längst abgestreift
hatten, noch eigen geblieben, so dass Vorstellungen aus der Apoca-
lypse, Todtentänze ete., noch immer sehr beliebt waren. Das Ver-
ständniss für die Behandlung von Aufgaben aus dem Kreise der
antiken, der Darstellung der Schönheit so günstigen Welt, war da-
gegen den Deutschen so wenig aufgegangen, dass sie dieselben in
sehr naiver Weise und oft sehr geschmacklos in jenen phantastischen
Formen darstellten.
Zunächst stand die durchschnittliche Bildung der Stände, welche
die Kunst fördern, Fürsten, Herrn und Bürger, in Deutschland auf