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III.
Buch.
Kapitel.
Seine Gemälde gehören jetzt zu den grössten Seltenheiten und
würden bei weitem nicht ausreichen die Eigenthümlichkeit dieses
Künstlers in ihrem ganzen Umfange kennen zu lernen. Glücklicher-
weise werden wir durch eine ansehnliche Zahl von ihm, nach seinen
eignen Erfindungen ausgeführten Kupferstichen 1 hiezu in den Stand
gesetzt. Aus denselben erscheint er als ein Künstler von einer sehr
reichen Eriindungsgabe auf dem Gebiete der kirchlichen Kunst, so-
wohl in der Darstellung einzelner Figuren, als grösserer, bisweilen
sehr bewegter, Compositionen. Hierin und in seinem höchst feinen
Sinn für Schönheit der Form in den Köpfen, für Reinheit und Ver-
klärtheit des Gefühls, worin er die Richtung der deutschen Malerei
in der vorigen Epoche zu völliger Individualisirung ausbildete, ist er
seinem grossen Meister Rogier überlegen. Durch seine Stiche, welche
auch in der Mehrzahl eine ausserordentliche technische Ausbildung
verrathen, erreichte er daher einen europäischen Ruf. In diesen
ist nun der Einfluss der Schule der van Eyck unverkennbar, wie
Passavant richtig bemerkt, und hiefür als besonders bezeichnend die
Maria mit dem Papagei (Bartsch N0. 29) anführt. 2 Jene trefflichen
Eigenschaften besitzen in vorzüglichem Grade folgende Blätter: der
Tod Mariä (Bartsch N0. 33), die Kreuztragimg (B. N0. 21), die Ver-
kündigung (B. N0. 1 und 2), die Anbetung der Könige (B. N0. 6),
die Flucht nach Aegypten (B. N0. 7), die Taufe Christi (B. N0. 8),
Christus am Kreuz (B. N0. 23), Maria mit dem Kinde (B. N0. 30),
Maria als Brustbild mit dem Kinde (B. N0. 31, Fig. 31), der heilige
Laurentius (B. N0. 56), die KrönungMaria. (B. N0. 72), der segnende
Christus (B. N0. 70), die heilige Magdalena (B. Th. X. S. 29). die
Blätter der Passion (B. N0. 9-20), hieraus die Kreuzigung (Fig. 32),
die fünf klugen und fiinf thörichten Jungfrauen (B. N0. 77-86).
Nur ausnahmsweise, aber dann mit grosser Energie, berührt er das
Gebiet des Phantastischen, wie in seiner Versuchung des heiligen
Antonius (B. Nr. 47), von welcher Vasari bezeugt, dass Michelangelo
sie in seiner Jugend mit der Feder kopirt habe. Gelegentlich zeigt
er auch eine gesunde Ader für Humor in Darstellungen aus dem
gegen ein Originalzengniss, wie das oben nach Hugot angeführte, die spätere
Abschrift eines solchen, wie sie früher derselbe Hugo: (s. das Kunstblutt 1841,
S. 59) gefunden und wonach M. Schongauer schon 1488 gestorben sein S011, in
Betracht kommen. Letzte Angabe durch Annahme eines Schreibfehlers mit der
Angabe auf jenem Zettel m Uebereinstimmung zu bringen, wie passavant versucht,
um dadurch die Aussage von Scheurl zu entkräften, erscheint mir dahe: als
willkührlich.
1 Bartsch V01. VI. S. 103 f. zählt 90 Blätter von ihm auf. 9 Ebend. S. 107.