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III.
Buch.
Kapitel
der van Eycliüsehen Schule aus den benachbarten Niederlanden.
Für denselben spricht auch die naturgemässe Ausbildung der Kör-
per, die vollendetere Zeichnung, namentlich in der freien Bewegung
der trefilichen Hände, endlich die, in den noch erhaltenen Theilen,
sorgfältige Modellirung. In dem Kopfe und den rundlichen Füflllen
des Kindes giebt sich wieder der reinere Sehünheitssinn der altkölni-
sehen Schule kund. Von dem Flügel mit der heiligen Ursula,
welcher indess kunstloser in der Anordnung und einförmiger in den
Köpfen ist, erfolgt hier eine Abbildung (Fig. 29). Die gleichförmige
Blässe des Fleischtons ist eine Folge des zu starken Putzcns, denn
alle erhaltenen Theile des Bildes zeigen eine eher warme, und wohl
zusainmenstimmende Färbung. Von besonderer Schönheit in Form
und Gefühl ist der noch wohl erhaltene Kopf der Maria auf der
Verkündigung der Aussenseite der Flügel. Die hier schon völlig
ausgebildeten, scharfen und eckigen Falten der Gewänder, von denen
das älteste Beispiel in einigen Theilen des, 1432 beendigten, Genter
Altars der Brüder van Eyck vorkommt, sprechen auch dafür, dass
dieses Bild erst gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts ausgeführt
sein kann, und daher der spätesten und reifsten Zeit des Meisters
angehören muss. Als einen Beweis hiefür möchte ich noch ganz
besonders ein Bild von ihm im Museum zu Darmstadt, die Dar-
stellung im Tempel, geltend machen, welches, obwohl dem Dombilde
ilahe verwandt, doch in dieser Kunstforrn minder ausgebildet ist,
und die Jahrzahl1447 trägt. Endlich kommt hier noch in Betracht,
dass das Dombild sicher in Oel gemalt ist, welche Weise bestimmt
erst gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts in Deutschland Eingang
gefunden hat. Auch England- besitzt von diesem seltnen LIQlSiBY
wenigstens ein Bild aus seiner etwas früheren Zeit. Es stellt die
Heiligen: Katharina, Matthäus und Johannes den Evangelisten dar
und befindet sich in der Sammlung des Prinzen Gemahl zu Ken-
sindgton unter N0. 22. '
Ein schönes Beispiel, wie die Kunstform des Meisters Stephan
in einer in kindlicher Poesie mit den heiligsten Gegenständen spie-
lenden Weise in Anwendung gekommen, bietet das, durch Vermächt-
niss in den Besitz der Stadtbibliothek gelangte Paradiesgärtlein der
Prehn'schen Sammlung in Frankfurt dar. Es ist eine Art von
Genrebild in den Formen einer kirchlichen Kunst. WYährend die
heilige Jungfrau neben einem Tische, worauf Früchte und ein Glas,
liest, spielt das in Blumen sitzende, bekleidete Kind auf einem, ihm