Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

bis 1530. 
Epoche von 1420 
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lerischen Geltung gebracht worden ist, -die grösste Bewunderung. 
Obgleich diese Gewänder ganz mit Figuren bedeckt sind, wie sich 
denn an der Casula 39, an jeder Chorkappe 41, an jedem Leviten- 
kleide 44, an jedem der Teppiche 39 befinden, so dass die Zahl 
sämmtlicher Figuren sich auf 278 beläuft, sind dieselben doch nach 
einem architektonischen Gesetz in einer Weise angeordnet, dass sie 
keineswegs den Eindruck des Verworrenen, oder auch nur Heber- 
ladenen, sondern zwar des sehr Reichen, aber zugleich des höchst 
Stylgemässen hervorbringen. Die Streifen, welche die einzelnen 
Felder, worin sich grössere Vorstellungen, oder einzelne Figuren 
befinden, umrahmen, bilden unter sich ein geschmackvolles Muster, 
welches an Stellen, wo sie sich kreuzen. mit vielem Stylgefiihl be- 
nutzt ist, um Bouquets von Perlen anzubringen. Wenn mit Recht 
an den Bildern der van Eyck und ihrer Schule die ansserordentliche 
Meisterschaft bewundert wird, womit sie Goldstotf und verschiedene, 
bekanntlich aus Seide und Gold gewirkte purpurrothe, violette, blaue 
und grüne Brokate mit Farben wieder geben, so ist hier durch 
Verwendung dieser Stoffe selbst mit dem feinsten künstlerischen 
Gefühl und dem seltensten technischen Geschick eine Schönheit und 
eine Pracht der Wirkung hervorgebracht, wie mir kein anderes 
Beispiel bekannt ist. Ueber das hierbei beobachtete technische 
Verfahren bemerkt der Freiherr von Sacken "der Quere nach sind 
Goldfäden gezogen, welche paarweise mit Flockseide überstickt sind. 
Die Goldfäden bilden so den Grund, während die farbige Seide die 
Zeichnung und Schattirung giebt. Indem die Schattenparthieen dich- 
ter überstickt sind, die Lichter nur sparsam, werden letztere durch 
das Gold gebildet, was einen eignen Lustre hervorbringtft Was 
aber bei weitem die höchste Bewunderung verdient, sind die Fleisch- 
theile, welche, wie derselbe Schriftsteller bemerkt, ausgespart und 
mit offener Seide im Plattstich gestickt sind. Hier finden sich nicht 
nur die verschiedensten Charaktere, sondern auch die verschieden- 
sten geistigen Affecte, der mannlgfaltigste Ausdruck, in einer Deut- 
lichkeit und Feinheit mit der Nadel wiedergegeben, wie ich dieses 
bisher nicht für möglich gehalten habe. Obgleich nun die Stickereien 
von allen Stücken, den sechs Gewändern und den zwei Teppichen, 
in vollem Maasse das Gepräge der van Eyckkschen Schule in ihrer 
früheren Form verrathen, so lehrt doch ein genauer Vergleich, dass 
die zur Ausführung nothwendigen, farbigen Cartons von mehreren 
Händen herrühren. Schon bei einem Besuche von Wien im Jahr
	        
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