Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

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III. 
Kapitel. 
Raum gehalten, und dadurch der Landschaft ein grösserer Spiel. 
raum gegeben. Dem entsprechend sind denn auch diese, sowie 
vorkommende Baulichkeiten, in der Ausbildung des Einzelnen sehr 
vollendet. In den Figuren machen die grellen Farben der, übrigens 
höchst ausgeführten, Gewänder, mennigroth, blau, einen unange- 
nehmen Gegensatz mit dem blassen Fleisch. Die künstlerische Aus- 
stattung ist so reich, dass nicht allein jede Seite des Kalenders vier 
Vorstellungen in Runden euthältf sondern, ausser den grösseren 
Bildern auch viele grössere und kleinere Initialen mit Bildchen ge- 
schmückt sind, ja die einzelnen Heiligen gegen das Ende öfter von 
sechs kleinen Vorstellungen aus ihrer Legende begleitet werden. 
Ein verschiedentlich vorkommendes, von zwei Löwen gehaltenes 
Wappen, welches sich ohne Zweifel auf den Besteller des Buchs 
bezieht, ist leider durchweg ausgekratzt. 
Einen merkwürdigen Beleg, in welchem Grade auch die Kunst- 
stiekerei in der Form der Schule der Brüder van Eyck in dem 15. 
Jahrhundert in den Niederlanden ausgebildet worden ist, gewähren 
die, in der kaiserl. Schatzkammer zu Wien aufbewahrten, Kirchen- 
ornate, welche, wie angenommen wird,2 bei den solennen Hochäm- 
tern des, bekanntlich vom Herzog Philipp dem Guten gestifteten 
Ordens vom goldnen Vliesse, gebraucht worden sind. Dieselben 
bestehen aus einer vollständigen Kapelle, der Casula, drei Chor- 
kappen (Pluviales), den beiden Levitenkleidern (Dalmatica und Tu- 
niseella), für den Diacon und Subdiacon und zwei Hängeteppichen, 
welche entweder zur Verkleidung des Altars, oder von Ohorstühlen 
gedient haben mögen. ' 
Ausser der hohen Kunst, welche diese Gewänder zeigen, ver- 
dient die Art und WVeise, womit das kostbarste, für den burgun- 
dischen Hof jener Zeit so charakteristische Material von Gold, 
Seide und Perlen hier zur vollsten und geschmackvollsten künst- 
1 Für minder Kundige muss ich bemerken, dass das Titelblatt nur hineinge- 
klebt, und dem Manuscript ganz fremd ist. Es rührt wahrscheinlich von Atta- 
vnnte, einem berühmten, florentinischen Miniaturmaler und Schüler des Domeriico 
Ghirlandqjo her, welcher in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts blühte. 
 ß Herr Freiherr von Sachen bemerkt mit Recht in seinem Aufsatze über diese 
Gewänder im Maiheft der Mittheilungen der Centralcommissitm vom Jahr 1858, 
welchem ich hier in der Angabe der Gegenstände gefolgt bin,' dass der Umstand, 
dass darauf irgend eins der gewöhnlichen Abzeichen jenes Ordens vorkommt, gegen 
diese Annahme spricht. Iudess ist dieser Punkt überhaupt nur von untergeordneter 
Bedeutung. Uebrigens sind diese Gewänder, da sie sich in keinem früheren In- 
ventar der Kaiserl. Schatzkammer verzeichnet finden, wahrscheinlich erst in Folge 
des Verlusts der Niederlande in der französischen Revolution von Brüssel nach 
Wien gebracht worden.
	        
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