128
III.
Buch.
Kapitel.
habe. Die Mitte stellt die Anbetung der Könige, die Flügel die
-Geburt und die Darstellung im Tempel vor. Die Figuren sind
etwa Vs lebensgross. 1
Obgleich es höchst wahrscheinlich ist, dass ein Künstler, welcher
in so kleinem Maassstabe so Ausgezeichnetes in der Oelmalerei
geleistet, gleich seinem Meister auch in Miniatur gemalt hat, so
ist doch sein, bisher von allen Kunstforschem als unzweifelhaft an-
genommener, Antheil an den Miniaturen in dem berühmten Missale,
welches als Vermächtniss des Kardinals Grimani im 16. Jahrhundert
in. die Bibliothek des heiligen Markus zu Venedig gelangt ist,
neuerdings in einem Aufsatze von Ernst Harzen? mit so guten
Gründen bestritten worden, dass derselbe mehr als zweifelhaft erscheint.
Rogier van der Weyden der jüngere war der Sohn und Schüler
des älteren Rogier. 3 Sonst wissen wir nichts von ihm, als dass er
mit seiner Kunst viel erworben, sehr mildthätig gewesen und im
Jahr 1529 in hohem Alter an dem sogenannten englischen Schweiss
in Brüssel gestorben ist.4 Er folgte durchaus der Kunstweise
seines Vaters, dem er in seinen früheren Werken noch sehr nahe
steht, in den späteren aber sind die Proportionen nicht so lang, die
Formen völliger und feiner gezeichnet. Dieses gilt besonders von
den Händen und Füssen. Dagegen hat er weniger Schönheitssinn
als der Vater und sind sowohl seine Motive gelegentlich unschöir,
als seine Köpfe öfter von einer mit weniger Geschmack gewählten
Portraitartigkeit. Die Umrisse sind weicher, der Fleischton heller
und mehr gebrochen, in den Lichtern kühl röthlich, in den Schatten
heller, die Behandlung endlich ist breiter und keineswegs so in das
Einzelne gehend. Er scheint sich vorzugsweise in dem engen Kreis
der Darstellung des Leidens Christi und der Trauer darüber bewegt
zu haben, indem fast alle Bilder, welche man ihm mit Wahrschein-
lichkeit beimessen kann, demselben angehören. Seine Auffassung
muss dem religiösen Gefühl seiner Zeitgenossen in hohem Grade
zugesagt haben, indem alte Kopien nach denselben sehr zahlreich sind.
1 S. Passavant, die christliche Kunst in Spanien S. 130. Cavalcaselle findet
einige Theile dieses Altars zu schwach für Memüng und hält s'e von einem
Schüler. S. 269. 2 In Naumanlfs Archiv für die zeichneuden Künste vom Jahr
1858. S. 3 ff. Einiges Nähere über diesen Aufsatz etwas später. 3 S0 bezeugt
ausdrücklich Sundrart, Teutsche Academie S. 66 in seinem Bericht über die Oel-
malerei. 4 S. van Mander Bl. 1291) f. Weil van Mander ihn in einigen Stücken
mit seinem Vater verwechselt, leugnet Wauters, dem auch Cavalcaselle folgt,
seine ganze Existenz. Diesem kann ich indess nicht beistimmen. S. meine Gründe
im Kunstblatt von 1847. S. 170 f. Meine Ansicht wird auch von Passavant (im
angef. Werk S. 134 ff.) und Hotho getheilr.