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III.
Buch.
Kapitel.
vor einem Prachtteppich thronende Maria, von zwei, eine Krone
haltenden Engeln überschwebt, das Kind, welches in der Linken
in Beziehung auf die Erbsünde einen Apfel hat, mit der Rechten
aber der knieenden, heiligen Katharina. einen Ring ansteckt, auf
dem Schoosse. Der Ausdruck der Keuschheit und Reinheit in dem
Kopf der Heiligen ist von wunderbarer Schönheit. Hinter ihr ein,
die Handorgel spielender Engel von einer Art der Lieblichkeit,
welche für Memling besonders charakteristisch ist. Ihr gegenüber
die andächtig lesende, heilige Barbara, von einem Engel begleitet,
welcher der Maria, ein Gebetbuch hinhält, worin sie blättert. Etwas
mehr zurück, stehend, zur Rechten, Johannes der Täufer, zur Linken
Johannes der Evangelist, von edlem und mildem Charakter. In
der Landschaft des Hintergrundes Vorgänge aus dem Leben dieser
Heiligen. Auf dem rechten Flügel, im Vorgrunde, die das Haupt
Johannis empfangende Tochter der Herodias, in deren Zügen ein
leises Grauen meisterlich ausgedrückt ist; in der Landschaft des
Hintergrundes wieder Vorgänge aus seinem Leben. Auf dem linken
Flügel Johannes der Evangelist auf Patmos zu den Visionen der
Apokalypse emporblickend, welche sich im Hintergrundey ausbreiten,
und sie aufzuzeichnen bereit. Hier erscheint Gott Vater auf dem
Thron, das Lamm und die verehrenden vierundzwanzig Aeltesten,
der siebenhäuptige Drache, welcher die Jungfrau verfolgt, der
Kampf des Engels Michael mit demselben, die vier Reiter, an denen
die treifliche Bewegung der Pferde auffällt u. s. w. Der Ausdruck
des demüthigen Erstaunens in dem Kopf des Johannes ist von
wunderbarer Feinheit. Durch das ganze Werk weht der Athem
der reinsten religiösen Poesie. Auf den Aussenseiten der Flügel
die Stifter des Bildes, zwei Brüder des Hospitals mit ihren Schutz-
heiligen Jakobus und Antonius von Padua, und zwei Schwestern
des Hospitals, mit den Heiligen Agnes und Clara. Letztere beide
gehören wieder, nicht bloss wegen der Reinheit und Andacht des
Ausdrucks, sondern auch wegen der Schönheit der Züge, zu den
herrlichsten Köpfen des Meisters. Nächst dem jüngsten Gericht
möchte dieses das bedeutendste, von Memling vorhandene Werk
sein. Leider haben diese Rückseiten in manchen Theilen stark
gelitten. l Dieses Bild steht dem Altar mit dem Christoph in
der Akademie sehr nahe. Die bessere Zeichnung, namentlich der
1 Von diesem Altar giebt es eine treifli
Photographie von Fierlants.