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III.
Buch.
Kapitel.
allen Theilen mit der grössten Meisterschaft durchgeführten Realis-
mus, und den geringeren Schönheitssinn. Ja das einseitige Streben
nach Wahrheit führte ihn gelegentlich zum Gesohmacklosen und
Widerstrebenden. So ist er in den nackten Formen mager, und
sind seine Finger zugleich zu lang, die Füsse, besonders in der
früheren Zeit, schwach. In der Färbung kommt er zwar an Tiefe
und Wärme seinem Meister nicht gleich, doch sind seine Farben
von einer erstaunlichen Lebhaftigkeit und Kraft, sein Fleischton, in
der früheren Zeit goldig, wird nur in der späteren etwas kühler.
Von seinen noch vorhandenen Bildern spreche ich nur von den
vorzüglichsten und zwar in der Ordnung, in welcher sie gemalt
sein möchten.
Das Altärehen, ein Triptychon, welches der Papst Martin V. dem
König Juan II. von Spanien geschenkt hat, 1 jetzt im Museum zu
Berlin (N0. 534 A), stellt die Geburt Christi, den todten, auf dem
Schooss der Mutter von ihr beweinten Christus, und Christus,
welcher seiner Mutter nach der Auferstehung erscheint, dar. Ge-
malte Einfassungen enthalten, grau in grau, wie an gothisehen
Portalen, noch viele Vorstellungen aus dem Leben Mariä und der
Passion. Dieses Werk ist vom tiefsten Gefühl, aber mager in den
Gliedern, von grosser Kraft der Färbung und miniaturartiger
Ausführung. 2
Ein Altarbild mit drei Vorgängen aus dem Leben Johannes
des Täufers (im Museum zu Berlin N0. 534 B), seiner Geburt,
der Taufe Christi und seiner Enthaupt-img. Diese, vormals in Spa-
nien 3 befindlichen Bilder sind in ähnlicher Weise mit Einfassungen
umgeben, wie das vorige Bild und stehen diesem in der ganzen
Art der Ausführung sehr nahe.-
Ein Altarbild mit Flügeln in der kaiscrl. Gallerie zu Wien
als Martin Schongauer aufgestellt, dürfte dieser früheren Zeit des
Meisters angehören, ist aber jedenfalls eines seiner schönsten Werke.
Die Mitte stellt Christus am Kreuze vor, an dessen Stamm die
knieende Schmerzensmutter sich schmiegt. Daneben einerseits Jo-
hannes, welcher die Maria unterstützt, andrerseits die knieenden
1 ES Wllrüe früher irrig für das Reisealtärchen der Kaisers Karl V. ausgegeben.
S. darüber Passavnnt, die christliche Kunst in Spanien S. 130. 2 Dieses Bild
ist um so wichtiger, als es, gleichzeitig beglaubigt, wie schon bemerkt,
Passavant als Ausgangspunkt für die Bestimnumg anderer Werke dieses Meisters
gedient hat. 3 Meine Gründe, wesshalb ich sie nicht für die Bilder aus der
Carthause von Mirailores halte, wie Passnvant und Cavalcaselle, und eine nähere
Beschreibung im Deutschen Kunstblatt von 1854 S. 58.