Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

Epoche von 1420 bis 1530. 
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sechs Fuss Höhe und vier Fuss Breite, das jüngste Gericht vor- 
stehend, war für den Versammlungssaal der Schöffen bestimmt, und 
wurde im Jahr 1472 beendjgt. Das andere, für eine Sammlung 
von Bildern, welche das städtische Regiment im Rathhause anlegen 
wollte, bestellt, bestand aus vier Stücken, welche, bei einer Höhe 
von zwölf Fuss, zusammen die Länge von 26 Fuss haben sollten, 
mithin das umfangreichste Werk dieser Schule geworden sein würde, 
wovon wir überhaupt Kunde haben. Beide Bilder waren zu 500 
Kronen bedungen. Noch bevor er das zweite Stück jenes grossen 
Werks beendigt hatte, wurde er indess im Jahr 1478 in dem hohen 
Alter von 87 Jahren durch den Tod abgerufen. 1 
Da diese urkundlich beglaubigten Bilder, bis auf die beiden 
letzten, noch vorhanden, so sind wir nicht allein im Stande, uns 
über die Kunstweise des Meisters ein gründlicl?! Urtheil zu bilden, 
sondern auch, nach der Uebereinstimmung mi denselben, andere 
Bilder, als von ihm herrührend, mit Sicherheit zu bestimmen. 
In den Gemälden von ihm, welche religiöse Gegenstände be- 
handeln, ist die der ganzen Schule eigenthümliche Andacht des Ge- 
fühls von einer Stille, einer Feier, einem leisen Anklang, einer edlen 
Melancholie begleitet, welche einen ganz eigenen Zauber ausüben. 
In der Anordnung waltet bei ihm das malerische über das architek- 
tonische Gesetz vor, und sie macht daher öfter den Eindruck des 
Zufälligen und Zerstreuten. Die einzelnen Motive haben dabei 
häufig etwas Eckiges, Steifes und Ungelenkes, besonders in den 
Beinen. Die Verhältnisse sind öfter zu lang, die Formen, nament- 
lich der Beine, zu mager. Dagegen sind die Charaktere der Köpfe 
mannigfaltig, mit vieler Lebendigkeit individualisirt, häufig aber be- 
deutend, bisweilen selbst von feinem Schönheitsgefühl. Die Zeich- 
nung ist sehr tüchtig, besonders in den immer gut bewegten Händen. 
In der Gewandung steht keiner aus dieser Schule dem reineren Ge- 
schmack des Hubert van Eyck so nahe, und lässt die scharfen, dem 
Jan van Eyck eigenthümlichen, Brüche souwenig zu, wie dieser. 
Seine eigenthiimlichsten Verdienste bestehen indess in der Färbung, 
den landschaftlichen Hintergründen, und der Art der Ausführung. 
An Tiefe, Kraft und Sättigung der, meist warmen Färbimg kommt 
ihm kein anderer der ganzen Schule gleich. Die Fleischtheile haben 
1 S. hierüber, so wie über die Abschätzung jenes unvollendeten Werks durch 
Hugo van der Goes, von dem bald die Rede sein wird, van Even im obigen 
Werk S. 14-
	        
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