96 III. Buch. 2. Kapitel.
sehen wir zuförderst, dass er damals noch am Leben, und dass
sein Werth als Künstler dort volle Anerkennung gefunden hatte.
Das noch in jener Kirche vorhandene, leider aber durch die hohe
Stelle und den vernachlässigten Zustand nur sehr unvollständig zu
beurtheilende Bild zeigt auch, dass er eine solche in einem gewissen
Grade verdient hat. Die Composition, wie Christus den, theils um
ilm knieenden, theils, wie er, stehenden Aposteln im Begriff ist
den Kelch zu reichen, ist mit vieler künstlerischer Einsicht ange-
ordnet. Bis auf den, in der stark aussohreitenden Bewegung und
dem Kopf nicht gelungenen Christus, sind die Motive frei und
sprechend, und zeigen die strengen und würdigen Charaktere eine
gewisse Verwandtschaft zu den Aposteln und Einsiedlern des Hu-
bert van Eyck auf dem Genter Altar. Dasselbe gilt von der Form
der wohlgezeichneten Hände, denen auch die übrigen Theile der
etwa 314 lebensgrossen Figuren entsprechen. Endlich stimmt auch
der bräunliche, obwohl weniger tiefe und klare Ton des Fleisches
mit seinem Meister überein. Die darauf vorhandenen Bildnisse des
Grafen Federigo von Montefeltre, des Catherino Zeno, Gesandten
der Republik Venedig, und eines betagten Mannes, wahrscheinlich
des Malers selbst, sind sehr wahr und lebendig. Die Altarstaffel,
welche sinnbildliche Vorstellungen des Sakraments enthielt, ist nicht
mehr vorhanden. So ist auch eine, in jener oben angeführten Notiz
in üämischer Sprache sehr gepriesene Enthauptung des Johannes,
in der Kathedrale von Gent von den Bilderstürmern zerstört werden,
und zwei noch im Jahr 1763 in der Jakobskirche derselben Stadt
vorhandene Bilder, die Kreuzigung Petri und die Enthauptung
Pauli, seitdem verschollen. 1
Eine sehr bedeutende Stellung unter der ersten Generation der
Schüler der van Eyck nimmt Dierick oder Dirk Stuerbout ein.
Dieser, ungefähr um das Jahr 1391 zu Haarlem geborenß und
daher schon von Vasari 3 und später von van Mandert Dierick
van Haarlem genannte Künstler, dürfte den frühsten Unterricht
von seinem Vater, der, wie er, Dierick Stuerbout hiess, welcher
Name aber öfter in Bout abgekürzt wurde, erhalten haben. Da.
dieser, welcher sich besonders durch die höchst sorgfältige Aus-
1 Cavaicnselle S. 157. 2 Dieses erhellt daraus, dass er bei einer gericht-
lichen Verhandlung vom 9. December 1467 zu Brüssel, wo er als Zeuge vernom-
men wurde, sein Alter auf ungefähr 76 Jahr angegeben hat. S. eine Notiz von
Wouters in der Chronik der historischen Gesellsehaft von Utrecht, II. Serie,
VI. Jahr S. 268. 3 B. XI. S. 68 derselben Ausgabe. 4Bl. 129 b.