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III.
Buch.
Kapitel.
lich und freundlich, entbehrt jedoch des Charakters der Heiligkeit.
Das Kind, von starkem Leibe, ist ebenfalls im Kopfe durchaus por-
traitartig. Die zahlreichen, scharfbiüchigen Falten ihres Gewandes
sind zwar vom treiflichsten Machwerk, lassen aber von den Formen
des Körpers nichts mehr erkennen.
Ein wahres WVunder für die Haltung und die Ausführung im
Kleinen ist endlich ein kleines Altärchen in der Gallerie zu Dr esden,
dessen Mitte die, mit dem Kinde in einer Kapelle von reicher, roma-
nischer Bauart, thronende Maria, die inneren Seiten der Flügel die
heilige Katharina und den, den Stifter empfehlenden, heiligen Georg,
die Aussenseiten aber, grau in grau, die Verkündigung darstellen.
Durch starkes Lasiren des rothen Gewandes der Maria hat leider
die feine Harmonie des Bildes sehr gelitten.
Die Brüder van Eyck hatten eine Schwester, Namens Marga-
retha, welche eine geschickte Malerin gewesen sein soll, von der
sich indess nichts mit Sicherheit nachweisen lässt. Sie starb eben-i
falls schon vor ihrem Bruder Jan und wurde, sowie ihr Bruder Hu-
bert, in der Cathedrale von Gent begraben.
Erst seit zehn Jahren hat man die Entdeckung gemacht, dass
die beiden van Eyck auch noch einen dritten Bruder, Namens
Lambert van Eyck gehabt haben. In dem Kirchcnbuch der Cathc-
drale von Brügge findet sich nämlich unter dem 21. März 1442 die
Notiz, dass auf Bitten des Lambert van Eyck, Bruders des verstor-
benen Jan van Eyck, hochberühmten Malers, die Herren des Dom-
kapitels es gestattet hävtten, dass der bisher in dem äusseren Um-
gang der Kirche begrabene Körper desselben, mit Einwilligung des
Bischofs, innerhalb der Kirche in der Nähe des Taufsteins beige-
setzt werdeß Dieses wäre nun ziemlich gleichgültig, wenn es nicht
aus einer Stelle im Archive zu Lille hervorginge, dass auch er
Maler gewesen ist. 2, Wenn dieses aber der Fall, so rührt wahr-
scheinlich von ihm einQnfertiges Bild her. welches nach einer fast
1 Ueber Obiges, wie über alles Sonstige, was den Lambert van Eyck betrifft,
siehe die schon öfter angezogene Schrift von Garten, les trois freres van Eyck
S. 54 ff. 2 In einem Reclmungsbuch vom Jahr 1431 über die Ausgaben Herzog
Philipp des Guten heisst es: "A Lambert de Heck, frere de Johannes de Heck,
peintre de monseigneur, pour avoir ete a plusieurs fois devers mon dit seigneur,
pour aucunes besognes qne mon dit seigneur voulait faire faire." Da in dem-
selben Rechnungsbuche ganz dieselben Ausdrücke von dem als Maler be-
kannten Hue de Bnulogne gebraucht werden, so ist es wohl gewiss, dass unter
diesen Hbesognes" Malereien von geringerem Belang zu verstehen sind. Diese
Ansicht theile ich mit Canon und dem Grafen Leon de Laborde. I-lotho ignorirt
in seiner Polemik gegen diese Thntsaehe diese Uebereinstimmung.