Volltext: Handbuch der deutschen und niederländischen Malerschulen (Bd. 1, Abt. 1)

Epoche von 1420 bis 1530. 
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im Jahr 1426 schwerlich dazu kommen, die grosse Arbeit an dem 
Altar seines Binders wieder aufzunehmen, 1 und im Jahr 1428 wurde 
die Arbeit daran schon wieder auf längere Zeit durch eine Reise 
nach Portugal unterbrochen, worauf er die Gesandten seines Herrn, 
de Lannoy und de Roubaix, begleiten musste, um das Bildniss der 
Braut des Herzogs, Isabella von Portugal, zu malen. Erst als er 
am Ende des Jahrs 1429 nach Brügge zurückgekehrt war und dort 
im folgenden Jahr ein Haus gekauft hatte, 2 hat er wahrscheinlich 
ohne Unterbrechung die Arbeit an dem Altar becndigcn können, so 
dass derselbe, wie schon obenbemerkt, am 6. Mai des Jahres 1432 
zur Aufstellung gelangen konnte. 
Glücklicherweise sind uns von Jan van Eyck noch verschiedene 
beglaubigte Werke aufbehalten, woraus seine künstlerische Eigenthiim- 
lichkeit ungleich deutlicher zu erkennen ist, als aus seinem Antheil an 
jenem Altar, worin er, ohne Zweifel sowohl in den Compositionen als 
in der ganzen Ausbildung, sich seinem Meister und Bruder mit aller 
Pietät möglichst nahe angeschlossen hat. Jene, seine eignen Werke aber 
zeigen eine von seinem Brudersehr verschiedeneEigenthümlichläeit. Er. 
hatte nicht jene Begeisterung für die bedeutungsreichen kirchlichen, 
Aufgaben des Mittelalters, und auch nicht den Schönheitssinn Huberts,  
weder für die menschlichen Formen, noch für die Gewandung. Sein 
Sinn drängte ihn in allen Stücken auf die wahrste und treuste Auf- 
fassung der einzelnen Naturerscheinung. Mit Ausnahme des Kopfes 
Christi, wo er sich noch durch den altbyzantinischen Typus binden 
liess, haben daher fast alle seine Marien und Heiligen nicht allein 
ein durchaus portraitartiges Ansehen, sie sind sogar bisweilen häss- 
lich in den Formen und ohne sonderliche Erhebung im Gefühl. So 
führte er den Realismus auch in allen sonstigen Stücken, der Be- 
handlung der Steife in den Gewändern, der Ausbildung der Räum- 
lichkeit, mit allen möglichen Nebensaehen, mit einer bewunderungs- 
würdigen Meisterschaft durch. Nur in dem Ueberladen seiner Ge- 
wänder bei Gestalten aus der idealen Welt mit scharfen und ecki- 
gen Brüchen, ist er offenbar dem Vorgange von Sculpturen gefolgt, 
seine Hände sind endlich häufig zu schmal. Wo es aber seine Auf- 
gabe war Bildnisse zu malen, welches ganz mit seiner Richtung zu- 
sammenüel, erreichte er eine Lebendigkeit der Auffassung, eine 
Wahrheit der Form und Färbung aller Theile bis zu den größten 
1 S. düß V01. I. S. 225 und bei Cavalcaselle S. 50-  2 Vergl. 
Carton, les trois frerss van Eyck S. 39 und nach ihm Cavalcaselle S. 59.
	        
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