Epoche von 1420
)is 1530.
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bin die Magd des Herrn" aus. Die Falten des weissen Mantels
breiten sich in vielen scharfen Brüchen von seltner Meisterschaft
der Modellirung am Boden aus. Bei dem Engel Gabriel, welcher,
den Lilienstengcl in der Linken, mit der Rechten bedeutend nach
Oben weist, ist in dem Munde das Sprechen sehr lebendig ausge-
drückt. In den Schwingen, welche dem grünen, damals noch in
Europa seltnen Papagei entlehnt sind, findet sich das durch das
ganze Werk festgehaltene Prinzip wieder, die Personen der Gott-
heit und der Engel mit dem Seltensten und Kostbarsten auszu-
statten, was die Erde irgend bietet. Sein Gewand gleicht in Form,
Farbe und Art des Faltenwurfs demfder Maria. Höchst beachtens-
werth ist die treffliche perspectivische Ausbildung des Gemachs mit
einer Aussicht auf einen Theil der Stadt Gent, und die mir aus
so früher Zeit hier nur allein bekannten Wiedergabe des Schlag-
schattens der Figur und der Flügel des Engels an der Wand.
Die Aussenseite der unteren Reihe der Flügel, worauf ich jetzt
schliesslich übergehe, enthalten in vier steinernen Nischen von
gothischem Styl die Bildnisse der Stifter des Altars und ihrer
Schutzheiligen. Es darf nicht Wunder nehmen, dass der von den
van Eyck zu einer so hohen Meisterschaft ausgebildete Realismus,
wo er sich auf seinem eigentlichstcn Felde, der Bildnissmalerei be-
wegt, das Bewimderungswürdigste leistet. Setzt schon die Art, wie
in dem Bildniss des Stifters, Judocus Vyts, Herrn von Pamele und
Bürgermeister von Gent, allen Anforderungen der Kunst, der Zeich-
nung, der Verkürzung, der Modellirung und der Färbung, auf das
Vollkommenste genügt ist, jeden, mit der Kunstgeschichte Ver-
trauten, in so früher Zeit (um 1432) in Erstaunen, so wird dieses
xioch ungemein erhöliet durch die tiefe und wahre Auffassung des
Charakters, und durch das Festhalten des Ausdrucks einer inbrün-
stigen Andacht. Aber auch seine Gemahlin Lisbette Vyts, aus der
_in Gent hoch angesehenen Familie der Burlut, in deren Zügen sich
die ehrenhafte Hausfrau ausspricht, steht in der künstlerischen
Vollendung auf gleicher Höhe. Die Gestalten der beiden Johannes
zeigen uns wieder eine neue Seite der den verschiedensten Auf-
gaben gewachsenen Kunst dieser Meister. Sie haben sich hier
nämlich die Aufgabe gestellt, steinerne Statuen, wie sie zu ihrer
Zeit an gothischen Kirchen vorhanden waren, möglichst treu nach-
zuahmen. Es sind daher nicht allein der Ton, die Lichter und
Wessen, Handb. s. Malerei. I. 6