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Kapitel.
die heiligen Märtyrer, links die heiligen ltlärtyrerinnen mit ihren
Palmen herausgetreten. Unter den erstern sind Stephan, als der
älteste von allen, und Lievin, als der Schutzheiligc von Gent; unter
den letzteren Dorothea, Agnes, Barbara kenntlich. Ganz oben in
der Luft, über dem Lamm, der heilige Geist als Taube, von wel-
chem Strahlen nach allen Seiten ausgehen. Die Mannigfaltigkeit
und Bedeutung der Charaktere und des Ausdrucks in den einzelnen
Figuren sind hier höchst bewunderungswürdig, das frische Grün der
Wiese, das lichte, leuchtende Blau des Himmels entspricht wunder-
bar der geistigen Stimmung der durch das Lamm errungenen Selig-
keit. In den vier "Flügeln dieser unteren Reihe schliessen sich sehr
sinnreich, auf der Seite des geistlichen Standes, die Einsiedler und
Pilger, als die Repräsentanten derjenigen an, welche die Kirche
Christi durch ein contemplatives, auf der Seite des Standes der Laien,
die Streiter Christi und die gerechten Richter, welche dieselbe durch
ein actives Leben gefördert haben. Langsam und feierlich bewegt
sich, aus einer Bergschlucht hervorkommend, der Zug der Einsiedler
heran. An der Spitze der älteste, Paulus, ihm zunächst, an seinem
Kreuze kenntlich, Antonius. Ganz am Ende Maria Magdalena und
die ägyptische Maria, als die beiden ersten Einsiedlerinnen. Von
den Bildern der unteren Reihe ist dieses das vorzüglichste. Bewun-
derungswürdig ist die Mannigfaltigkeit der Köpfe. Feurige Begeiste-
rung, milde Andacht, an Wahnsinn grenzende Ueberspannung, Ge-
l-ühl des unerbittlichen Grimms gegen Andersgläubige, wechseln
miteinander ab, zugleich sind die Fleischtheile von einer seltnen
Gluth, endlich die tiefe, düstere Haltung eben so sehr dem Gegen-
stand entsprechend, als vortrefflich abgewogen. Den Pilgern auf
dem nächsten Flügel bedeutet der in riesenhafter Gestalt rüstig voran-
schreitende heilige Christoph, dass sie sich dem Ziel ihrer Wan-
derung nähern. Sein grosser rbther Mantel umgiebt ihn in breiten
und weichen Falten. In den Pilgern erkennt man wieder besonders
deutlich das Studium aus dem Leben. Ernste, würdige Köpfe wech-
seln mit gleichgültigen, überspannte mit fröhlich-lachenden, wie die-
ses der Künstler bei den damals so häufigen Wallfahrten gesehen
haben mochte. Der Ton des Fleisches hat hier nicht ganz die
Tiefe und Klarheit, wie auf dem vorigen Flügel. Von grosser Be-
deutung ist indess die Landschaft. Die weite Ferne mit hineinfüh-
rendem Wege deutet glücklich an, dass die Pilger schon einen gros-
sen Weg zurückgelegt haben. ln einem klaren Flüsschen, worin