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Kapitel.
dieses Harzes, wozu man Bernstein, häufiger noch Sanderac nahm,
'war dieses aber bisher nicht thunlich, weil er durch die dunkle-
Farbe auf die meisten Farben zu verändernd einwirkte. Hubert van
Eyck gelang es nun den Firniss so farblos zu bereiten, dass er ihn,
ohne jenen Nachtheil, bei_allen Farben anwenden konnte. Bei dem
eigentlichen Malen aber ging er folgendermassen zu Werke. Auf
einem so stark geleimten Kreidegrundfjdass die Oelfarbe nicht in
dessen Oberfläche eindringen konnte, trug er den Umriss auf, dann
imtermalte er das Bild leicht in Oel mit einer meist warmbräunlichen
Lasurfarbe, so dass durchaus die weisse Kreidefläche durchschim-
merte, und trug hierauf endlich die Lokalfarben, dünner in den
Lichtern, dicker in den Schatten, auf. In den letzteren benutzte er
öfter jene Untermahmg als Folie. In allen übrigen Theilen bildete
er das Verhältniss der Deck- zu den Lasurfarben so aus, dass er
dadurch überall jene Vereinigung von Kraft und Klarheit erhielt.
In der Pinselführung erwarb er sich endlich die ganze Freiheit,
welche seine neue Technik ihm gewährte, indem er, wie der auszu-
driickende Stoff es erheischte, bald die Züge des Pinsels stehen liess,
kbald sie zart verschmolz. Von drei Werken, welche ihm jetzt alle
wohl mit vollem Recht beigemessen werden, ist nur eins historisch
beglaubigt. Da indess die beiden anderen, wie aus dem historischen
Zusammenhange erhellt, demselben nothwendig in der Zeit voraus-
gehen, werde ich zuerst von diesen handeln. Das eine, jetzt im
Nationalmuseum in St. Trinidad zu Madrid befindliche, 1 stellt in
sehr reicher und ganz eigenthümlicher Weise einen schon sehr früh
von der christlichen Kunst behandelten Gegenstand, den Sieg des
sneuen über den alten Bund, oder der christlichen Kirche über die
Synagoge durch den Opfertod Christi dar, und dürfte, da es sich
in der ganzen Kunstform dem, wahrscheinlich etwa um 1420 ange-
fangenen Hauptwerk des Hubert van Eyck, 2 wovon später gehan-
delt werden wird, seng anschliesst, etwa in den Jahren von 1415
im
1 Im Jahre 1786 noch in der Kapelle des heil. Hieronymus zu Palenzia, später
im Kloster de] Parral zu Segovia. 9 Obgleich ich dieses Bild nicht gesehen
habe, so trete ich doch dem Urtheil von Passavant, der es für ein Werk des Hu-
bert van Eyck hält (S. die christl. Kunst in Spanien. Leipzig 1853 bei Rudolph Wei-
gel. S. 126 1T.) mit um so grösserer Ueberzeugung bei, als ich seine Angabe, dass
es in allen Stücken mit jenem späteren Werk des Hubert, dem Genter Altar,
übereinstimmt, in einer tretflichen, auf dem Knpferstichkabinet zu Berlin befindli-
chen Durchzeichnung, den Charakter der Köpfe, der Zeichnung der Hände,
dem Geschmack der Gewander durchaus bestatigt finde. Cavalcaselle misst. es da-
gegen in seinem Werk „the carly Flemisli painters" dem 372m van Eyck bei. Vgl.
s, 92, 19h kann indess hier die Mittheilmig nicht-unterdrucken, dass ein so feingr
Kenner, als Otto Mundler, darin nur die Hand eines Schulers erkennen will.