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Buch.
Siebentes
Sechster Abfchnitt.
King und der Familie Powel im Garrick Club zu London. iUm 1750 reifte er
nifßel,lilält_ mit feinen Erfparniffen nach Italien, wo er von Zuccherelli in Venedig und von
jof. Vernet in Rom, welche landfchaftliche Verfuche von ihm gefehen hatten,
ermuthigt wurde, fich ganz der Landfchaftsmalerei zu widmen; 1755 kehrte
er, reich mit italienifchen Studien beladen, nach London zurück. Anfangs
55112232? erregten feine Landfchaften, neu und eigenartig wie fle waren, hier einiges
fßhafler- Auffehen (Fig. 685). Bald aber wurde man ihrer überdrüflig. Seine englifchen
Zeitgenoffen fahen zu viel Poefie, zu wenig Natur in ihnen. Obgleich Wilfon
gleich 1768 zum Mitglied der neugegründeten königl. Akademie gewählt wurde
und jahr für Jahr die akademifchen.Ausflellungen befchickte, gelang es ihm
nicht, eine genügende Anzahl von Käufern für feine Landfchaften zu finden.
Die Stelle eines Bibliothekars der Akademie, welche er 1776 übernahm, mufste
ihn vor dem Verhungern fchützen. Bald darauf erbte er jedoch ein kleines
Sein Ende. Landgut bei Llanberis in Wales, wohin er {ich nun zurückzog. Dort fiarb
er 1782.
Naäf:hm_ Die Nachwelt fuchte wieder gut zu machen, was die Mitwelt an Wilfon
gefündigt. Seine Bilder fliegen bald nach feinem Tode rafch im Preife und
gehörten in der erfien Hälfte des I9. Jahrhunderts in England zu den gefuch-
terägffelffwrteften Landfchaften. Man gab Wilfon nun den Beinamen des ßenglifchen
Claude Lorraine. Dafs er Claude und Pouffin ftudirt hat, ift in der That
augenfcheinlich; aber er baut feine Landfchaften doch felbftändig aus Motiven
auf, die in der Regel der Umgegend Roms entnommen flnd; feine befien Bilder
verwifchen durch den grofsartigen Wurf ihrer Anordnung, durch die freie Breite
ihres Vortrags, durch die Kraft ihrer Farbe und die Poefie ihrer Lichtwirkungen
jede Erinnerung an beftirnmte Vorbilder. Charakteriftifch find ihre warmen
Sonnenuntergangslichter auf kühlem Grundton. Aber es mufs zugellanden werden,
dafs lange nicht alle feine Bilder auf gleicher Höhe mit feinen beften Ein-
gebungen liehen; manche von ihnen fehen in der That wie Nachahmungen
Claude's oder P0uff1n's aus; manche von ihnen zeigen trotz ihres ftets aufs
Ganze gerichteten Grundgefühls doch harte akademifche Einzelheiten, an denen
man das Jahrhundert erkennt, in dem fie entfianden; manche von ihnen er-
heben {ich felbft in den Farben trotz allen Strebens nach malerifchen Wir-
kungen nicht über eine gewiffe Trockenheit des Tones, welcher ernüchternd
wirkt. Ein Streben nach poetifcher Auffaffung aber zeigen alle feine Bilder;
und innerhalb diefes Strebens bleibt er keineswegs immer bei dem hergebrach-
ten vKlafficismusr ftehen; oft kommen fchon modern romantifche Anklänge bei
ihm zum Durchbruch, nicht felten auch realiflifchere Anfchauungen, als man fie
ihm zutrauen follte. Der Verfaffer erwähnt im Folgenden zunächfi nur Bilder
SET: Ifjider Wilfon's, welche er felbft gefehen hat. Allen voran {ind diejenigen der National
Gallery in London zu nennen. Die fchönflen und gröfsten von ihnen find vdif:
Ruinen der Villa Mäcensa mit der dunklen Waldfchlucht, dem fonnigen Vorder-
grund, dem jefuitenklofier unter Cypreffen, ein ungemein grofs empfundenes,
breit und frifch durchgeführtes Bild, und die vNiobidenlandfchafte mit ihren
wilden Felfen, ihrem fernen Meer, ihren Göttern auf dunklem Gewölk, ein
durch und durch poeti-fches, befonders durch fein eigenartiges Helldunkel mächtig
ergreifendes Prachtbild. Etwas trockener ifi fchon die italienifche Flufsland-