IO62
Buch.
Siebentes
Sechster
Abfchnitt.
ift bei I-iogarth immer ausgefchloffen. In den meifien feiner Darftellungen tritt
er uns in erfter Linie, wenn auch nicht felten mit Lachen erregendem XVitz,
als ftrenger, ernfier Sittenrichter entgegen, der der Schmach ihr eigenes Antlitz
zeigt und dem Lafier fein eigenes Bild. Die Trunkfucht, .die Ausfchweifung,
die Habfucht, die Beftechlichkeit, die Faulheit, die Putzfucht (feiner Zeit und
feines Volkes, fügt man in der Regel hinzu; im Grunde aber lind es Lafter,
die fich zu allen Zeiten und bei allen Völkern wiederholen) verfolgt er mit
unerbittlicher Schärfe. So überfüllt mit Einzelheiten manche feiner Darftellungen
erfcheinen, fo wenig überfiüffig ift das Geringfie auf ihnen. Jedes Mienenfpiel
und jede Bewegung auch der entfernteften Nebenfiguren, jedes Bild an der NVand,
jedes Schild auf der Strafse, jedes Geräth des Vordergrundes oder des Hinter-
grundes hat feine wohl überlegte Beziehung zu dem Hauptvorgang und der in
ihm verkörperten moralifchen Idee. Künftlerifch betrachtet, thut Hogarth
auch in diefer Beziehung des Guten viel zu viel. Es fteckt allerdings ein
Stück der literarifch-fatirifchen Ader feiner Landsleute Swift und Smollet in
ihm. Auf feinem Selbftbildnifs hat er bezeichnend genug aufser der wSchön-
heitsliniea, die feine fixe Idee war, Swift's Werke angebracht; und die Grenze
der poetifchen und der malerifchen Geftaltung eines Witzes oder eines fatiri-
fchen Gedankens war ihm wirklich noch nicht immer zum Bewufstfein ge-
kommen. Anziehend werden uns feine fatirifchen Sittenbilder, in denen feine
Stärke liegt, faPc niemals erfcheinen, um fo öfter aber geiPcreich, lehrreich und
intereffant; und da die Nachwelt jeden in feiner Art bedeutenden Künftler
nehmen mufs, wie er iPr, und froh fein mufs, wenn fie auf einen in irgend einer
Art wirklich originellen und unabhängigen Meifter ftöfst, fo wird fie auch
Hogarth die unleugbaren künftlerifchen Schwächen vieler feiner Bilder nachfehen
und ihm als kunfigefchichtlicher Erfcheinung, die ihren Mafsfiab nur in {ich felbft
trägt, den Ehrenplatz am Eingangsthor der neueren englifchen Kunfigefchichte
laffen, den fchon die meifien feiner Zeitgenoffen ihm angewiefen haben.
äliääarjiljf Wollen wir Hogarths Verfuche auf dem Gebiete der ernlten wHiftorien-
bilder malereix im voraus abthun, fo fei zunächfi bemerkt, dafs wir einige feiner ab-
fchreckendften Compofitionen, wie wPaulus Predigta und vPaulus vor FCliXe
nur durch die Stiche kennen. Sein berüchtigtes Gemälde vSigisnionda mit dem
Herzen ihres hingerichteten Gemahls Guiscardor, deffen Annahme Sir Richard
Grosvenor, welcher es I 7 59-befiellt hatte, verweigerte, aber befindet fich, allen
zugänglich, als warnendes Beifpiel, die Grenzen feines Könnens zu prüfen, in
igqjggjgp der National Gallery zu London. Unerfreulich ift vdie Findung Mofisa im
(Fgjllgfißlflg Gemäldefaal des Foundling-Hofpitals zu London. Wahrhaft fürchterlich find
HofPimn- die beiden grofsen Altarblätter, welche vor einiger Zeit aus der Kirche
in Briftol. St. Mary-RadcliH zu Briftol, für welche Hogarth fie gemalt hatte, in die Fine
Art Academy diefer Stadt geiiüchtet worden find. Verhaltnifsmäfsig am bePcen,
weil ihrem Gegenftande nach naturgeinäfs mit den meiften realiftifchen und fitten-
bildlichen Einzelheiten ausgeiiattet, iind feine beiden Riefenbilder im Treppen-
HD5123?" haufe des St. Bartholomäus-Hofpitals zu London, welche den wbarmherzigen
Hflgliliäijlf" Samaritera und den vTeich Bethesdae darftellen.
äääjfitlis Sind Hogartlfs Bilder diefer Art Alles in Allem feine fchwächften Lei-
fiungen, fo find, rein künftlerifch angefehen, feine Bildniffe umgekehrt feine