1050
Buch.
Siebentes
Abfchnitt.
Fünfter
Zu Goethe's, Hackerfs und Angelicas Kreife in Rom gehörte auch Johann
Heinrich Wilhelm Tifchbein 1) (vergl. oben S. 1019-1020), der eben mit des-
halb der berühmtefle Träger diefes Namens geworden ifi. Der vielfeitigfie,
gebildetfte, gedankenreichfie Künfiler feiner Familie war er auch ohne Zweifel.
Als Sohn Johann Conrad Tifchbein's wurde er 1751 zu Hayna in Heffen
Sei" Lebßn- geboren. Seinen Unterricht empfing er von feinem Oheim Ioh. Heinr. Tifch-
bein I. (oben S. 1019) in Caffel. In Hamburg und in Holland bildete er fich
weiter aus. Er war in der Landfchafts- und Thiermalerei ebenfo bewandert,
wie in der Bildnifs- und Gefchichtsmalerei. lm Jahre I777 malte er über fünfzig
jfääfufgf; Bildniffe in Berlin; 1782 kam er in Rom an, wo er anfangs noch in germani-
ftifch-romantifchen Anfchauungen lebte, grofses Auffehen mit feinem Gemälde
ßConradin von Schwaben, im Gefangnifs nach feiner Verurtheilung zum Tode
Schach mit Friedrich von Oefierreich fpielende machte und, aufser einem Bilde
aus Goethe's vlphigeniae, auch ein folches aus Goethe's wGötz von Berlichingenrr
malte, bald aber unter dem in Rom immer noch herrfchenden Winckelmann-
fchen und Mengsfchen Einfluffe, dem hier auch Goethe flch hingab, ganz für
die antikifirende Richtung gewonnen wurde. Wie ernPc es ihm mit dem Anti-
Seigfioiggflkifiren war, zeigen die von ihm herausgegebenen, ihrer Zeit in ganz Europa
freudig begrüfsten Werke vHomer nach Antiken gezeichnete 2), vCollection of
engravings from ancient Vases in possession of William Hamiltona 3) und vUm-
riffe griechifcher Gemälde etc. auf antiken Vafem 4). Auch feine eigenen Werke
bewegten {ich von nun an im Wefentlichen in diefer Richtung, zeitweilig jedoch
auch in Studien zur vergleichenden Thierphyfiognomie Im Jahre 1787
Tiiffräfifiiis folgte Tifchbein feinem Freunde Hackert nach Neapel, wo er 1790 zum
diggjfglj" Akademiedirector ernannt wurde. Mit Hackert durch die Franzofen aus Neapel
vertrieben, wandte er fich wieder dem Norden zu. In Hamburg, wo er fich
bäägldlfl'l'f_ niedergelaffen hatte, machte er die Bekanntfchaft des Herzogs von Oldenburg,
der ihn fchon 1803 nach Eutin einlud, ihm feine Gemälde und Kunftfamm-
lungen abkaufte und ihn fchliefslich mit einem Jahrgehalte von 600 Thalern ganz
an feinen Hof feffelte. Tifchbein zog nun nach Eutin, wo er 1829 fiarb.
In den für ihn charakterifiifchfien Bildern gehört er ganz zur conventionell
klafficiftifchen "Schule und obendrein zu ihren glatteren, porzellaneren und füfs-
licheren Vertretern. Wie alle MeiPrer diefer Art tritt er uns daher in der
Bildnifsmalerei, in welcher er auf felbftändige Naturbeobachtung nicht verzichten
konnte, auch technifch am freifien und reifflenientgegen. Wenigftens gilt dies
in Bezug auf feine früheren Bildniffe, von denen feine lebensgrofse Darfiellung
"Sgßggijgüjs Goethe's, im runden Hut auf den Ruinen Roms liegend, in feiner Art ein Meifter-
sfizaslgäxsgr werk und feit kurzem ein nationaler Schatz des Städeffchen Inflituts zu Frank-
in Gotha, furt a. M. ifi. Sehr gut ift er in der Gothaer Galerie vertreten, die aufser
1) Selbfibiographie in der Schrift: Heinrich Willzelzzx Tzfclzlzein. Seine Bilder, feine Träume,
feine Erinnerungen etc. Bremen 1822. Friedr. von Alten: Aus Tifchbeixfs Leben. Leipzig 1872.
Ezlm. Miclzel: Les Tischbein. Lyon 1881, p. 17-29.
2) Göttingen und Stuttgart 1801-1823. Franzöüfche Ausgabe. Metz 1802-1806.
3) Vier Bände zu 60 Blatt. Neapel 1791. FfaIlZÖflfChG Ausgabe. Paris 1803-1809.
4) Weimar 1797-1800.
5) Tätes de differens animaux etc. Naples 1796.