deutfche Malerei
Jahrhunderts.
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es hier noch zu thun haben, jenen Gelehrten, Dichtern und Tonkünftlern eben-
bürtige deutfche Maler zu treffen.
Allerdings befafs Deutfchland fchon als Zeitgenoffen der älteiten jener Rälijgilfägse
geifligen Bahnbrecher, fchon um die Mitte des Jahrhunderts, einen Meifier, der Ää-Tlggrtg-
fo ziemlich in ganz Europa als der gröfste Maler feiner Zeit und als der
praktifche Begründer eines vollen Umfchwungs des Schönheitsgefühls gefeiert
wurde; und ferne fei es von uns, diefe Thatfache nicht freudig als Zeichen
des Wiedereintritts unferes Vaterlandes in die Reihe der Kunitvölker zu
begrüfsen; aber es ilt eben auch eine Thatfache, dafs diefer Meifter, unfer
Anton Raphael Mengs (1728-1779), der unparteiifchen Nachwelt als kalter
Eklektiker lange nicht mehr fo grofs erfcheint, wie feinen Zeitgenoffen, und
dafs er auch keine ebenbürtigen oder gar in der von ihm eröffneten Bahn
noch erfolgreicheren Schüler zu bilden verfianden. Vielleicht war hieran auch
gerade fein Freund Winckelmann fchuld, deffen viel weiter gehende Umkehr-
Theorien feine Zeit fo packten, dafs nur wenige f1ch ihnen zu entziehen ver-
mochten. Mit echt deutfcher Gründlichkeit {teilte Ioh. joach. Winckelmann 1), 1431125146"
der preufsifche Grieche, zuerft in feiner 1755 in Dresden erfchienenen Schrift Ehauß
vGedanken über die Nachahmung der griechifchen Werke in der Malerei und
Bildhauerkunfir den Grundfatz hin, dafs nur die Nachahmung der Werke der alärirfuylfgafjll;
alten Griechen eine neue Kunit begründen könne, und zeigte dann in feiner imgglggfelfe"
1764 erfchienenen wGefchichte der KunPc des Alterthumsr der erftaunten Mit-
Welt zum erften Male, was und wie die Kunfi der alten Griechen in Wirklich-
keit oder doch nach feiner Anficht gewefen war. Die Wiffenfchaftliche That
feiner xGefchichte der KunPm wird für alle Zeiten als folche anerkannt werden.
Winckelmann ift und bleibt der grofse, begeiiterte und begeiiiernde Vater der
neueren Kunftgefchichte. Verhängnifsvoll aber wurde es, dafs er aus der Be-
trachtung der griechifchen Kunft nicht die einzig richtige Folgerung zog, dafs
f1e unnachahmlich, weil durch das Anfchauen griechifcher Natur mit griechifchen
Augen bedingt fei, fondern dafs er {ie in's Deutfche überfetzt oder gar
nuüberfetzt nachgeahmt fehen wollte. Vergebens widerfprachen einige Wenige,
zu denen doch Klopfcock gehörte, der den Sinnfpruch fchrieb:
Nachahmen foll ich nicht, und dennoch nennet
Dein lautes Lob nur immer Griechenland?
nWGIIII Genius in deinem Bufen brennet,
So ahrxf den Griechen nach! Der Grieclf erfandal
Die beften Geifter der Zeit fchloffen {ich vielmehr auch in Deutfchland, ja
nirgends mit gröfserer Beharrlichkeit als hier, der Forderung des Klafficisrnus
an, die jede nationale, jede felbftändige Kunftregung eriiickte und das Schickfal
der deutfchen Kunft auf ein halbes Jahrhundert hinaus und länger beüegelte.
An die Stelle des Könnens trat das Wollen. In keinem KünPcler fpricht llCll
dies deutlicher aus, als in dem Schleswiger Asmus Yrzkob Czzßjfiwzs (I7 54_
1798), den begeifierte Gelehrte 2) an die Spitze der neuen deutfchen Kunft
I) C. 7142;; Winckelmann. Sein Leben, feine Werke, feine Zeitgenoffen. Leipzig 1866-1872,
2) C. L. Fernow: Caritenä Leben und Werke. Leipzig 1806. Neu herausgegeben von
H. Riegel. Hannover 1867. F. von Alten: A. I. Carftens. Schleswig 1865. Carßenä Werke,
gefi. von W. Müller. Text von I1. Riegel. Leipzig 1869. A. Saelz: A. J. Carftenä Jugend- und
Lehrjahre. Halle a. d. Saale 1881.