Die
franzölifche
Malerei
Jahrhunderts.
Die franzöiifchen
Sittenmaler.
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Zeitlang Hier lernte er in Stichen und Handzeichnungen die Venezianer
kennen; ficher fah er hier auch Stiche nach Rubens vLiebesgartem (oben
S. 428), diefer köftlichen Darftellung, die ein Lieblingsthema Watteaus, wenn
auch mit der Empfindung eines anderen Zeitalters, fo doch im Grunde bereits
in ganz gleicher Auffaffung behandelte.
In Liebesgartendarftellungen diefer Art gipfelte auch die Kunft Watteaus. Die
Nachdem er in feinen Entwicklungsjahren fich in verfchiedenen anderen Gegen-
fiänden verfucht, in bäuerlichen Sittenbildern der Art David Teniers des Watmus
Jüngeren, den er eine Zeitlang in der Pinfelführung und in den Vorwürfen zum
Vorbild nahm, in Bildern aus dem Kriegsleben, wie er fie bei feinem zweiten
Jugendaufenthalt in Valenciennes nach der Natur fludiren konnte, in rein deco-
rativen Arbeiten und in noch etwas nüchternen landfchaftlichen Darftellungen,
widmete er fich in feiner reifen Zeit faPt ausfchliefslich der Darftellung der
fog. ifetes galantesr. Diefe wgalanten Fefter beflanden, genau genommen, in gifagfiiff
der Darftellung freier Liebe in freier Natur; fie kamen alfo der Sinnlichkeit
und der Naturfehnfucht des Zeitalters entgegen und fanden eben deshalb
überall eine begeifterte Aufnahme. Es mufs jedoch fofort betont werden, dafs
Watteau's Darftellungen diefer Art weit davon entfernt lind, unfchicklich oder
auch nur zweideutig zu fein. Die Liebenden, welche er paarweife unter den Clhiliällftrer
hohen Bäumen köftlicher Parklandfchaften mit klaren, fonnigen Fernen wandeln, der Kuriß
ruhen und fich bald zu gröfseren, bald zu kleineren Gruppen vereinigen läfst, Wamaul
pflegen nicht nur züchtig bekleidet zu fein, manchmal in Hirtentracht, öfter in
den bekannten Theaterverkleidungen, nicht felten aber doch auch in der Mode-
kleidung des Jahrhunderts, zu deren Entwicklung Watteau fogar beitrug, fondern
{ich auch bei aller Innigkeit und Ungezwungenheit ihres Verkehrs mit ein-
ander in den Grenzen der Wohlanftändigkeit und Vornehmheit zu bewegen.
Eben darin liegt ein fernerer Grund des Beifalls, den Watteau's Bilder fanden.
Es fchmeichelte der franzöflfchen Gefellfchaft, ihr in Wirklichkeit oft genug
wüftes Treiben im Lichte der Kunft fo liebenswürdig verklärt zu fehen. Den
empfänglichen Befchauer aller Zeiten aber erfüllt der Idealismus, der in diefer
Verbindung von Sinnlichkeit und Unfchuld, von den Umgangsformen der beflen
Gefellfchaft und grofser, frifcher Naturanfchauung liegt, mit poetifchen Empfin-
dungen, die ihn mitten in ein fonniges Feenland verfetzen. Die tüchtigen
Naturftudien, die, wie Watteaus zahlreiche, treffliche I-Iandzeichnungen beweifen,
allen feinen Geftalten und feinen Landfchaften zu Grunde liegen, geben diefem
Idealismus zugleich aber auch den gefunden, realiftifchen Untergrund, ohne den ritiiäh
in echter Kunft kein geiftiger Auffchwung denkbar ift. NVatteads Farben- ifgtirguneii.
gebung ifl dabei noch unmittelbar durch Rubens leuchtende Vielfarbigkeit
beeinflufst, aber warm und milde abgetönt. Seine Pinfelführung ift im Ganzen
leicht und geiftreich, doch aber gewiffen Wandlungen unterworfen; befonders
duftig und zart War fie, als der Meifler um 1717 fein Receptionsbild für die
Akademie ablieferte; fefler und körperhafter wurde fxe in feinen letzten Jahren.
Watteau war ein Heifsiger und fruchtbarer Künftler; doch fmd manche Erhaltung
feiner Werke infolge des von ihm angewandten Bindemittels, welches mit
der Zeit zu ftark austrocknete und Sprünge und Riffe in der Farbenfiäche
erzeugte, zu Grunde gegangen, manche in der Zeit des den Meifter mifsachten-
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