Volltext: Die Malerei von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Bd. 3, Hälfte 2)

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Buch. 
Siebentes 
Abfclmitr. 
Dritter 
Weit mehr als diefer Schüler Natoires aber intereffirt uns fein Mitfchüler 
bei Le Moine, intereffirt uns der franzöfifchfte der franzöfifchen Maler des 
 I8. Jahrhunderts, Franpois Bouclzer. 
 Bouchefs1) Kunft iPc recht eigentlich die Verkörperung der Lebensluft, 
der Anmuth, der fchönen Sinnlichkeit, aber auch der Lüfternheit, der Iittlichen 
Haltlofigkeit, der gefchminkten Schönheit und der grenzenlofen Oberflächlich- 
keit des Zeitalters Ludwigs XV., der Pompadour und der Dubarry. Von {einen 
Zeitgenoffen anfangs als vMaler der Graziena in den Himmel gehoben, dann, 
fchon 1765 von Diderot, als Vertreter der Unnatur, der Sittenverderbnifs, der 
Verwilderung des Gefchmackes gegeifselt, gleichwohl bis an fein Ende von 
den meiften gefeiert, in der dann folgenden Zeit des Klafficismus von allen 
verabfcheut, feit der zweiten Hälfte unferes jahrhunderts aber befonders von 
feinen ihm Wieder geifiesverwandten Landsleuten im Triumphe abermals auf 
den Schild gehoben, wird er den unbefangenen Beobachter feiner Gemälde 
heute in manchen Beziehungen anziehen, in manchen abftofsen, in den meiften 
aber gleichgültig laffen. Gemalt hat er alles, was jemals gemalt worden iftt 
Religiöfe, mythologifche, paftorale Darftellungen, eigentliche Bildniffe, Sitten- 
bilder und Landfchaften, Blumen und Ornamente; er hat Wand- und Staffelei- 
bilder, Theaterdecorationen und Fächer, Wagenthüren, Uhrgehäufe und Adrefs- 
karten gemalt, Werke illuftrirt, eigene und fremde Erfindungen radirt 2). Die 
gepuderten Köpfe und gefchminkten Gefxchter feiner Schönen fmd unbegreiflich 
geift- und ausdruckslos. Er hat auf fie fein Augenmerk offenbar gar nicht 
gerichtet; er fleht nur die Körper der Menfchen, und eigentlich auch nur die- 
jenigen der Frauen und der Kinder. Seine männlichen Gefialten find ganz 
intereffelos. Nackte oder halbnackte Frauen- und Kinderleiber aber weifs er in 
den verfchiedenfien, anmuthigften Stellungen und Bewegungen darzuftellen; die 
erfleren felten ohne lüfiernen Nebengedanken, die letzteren in freilich oft auch 
koketter, in der Regel aber doch fo reiner, naiver Anmuth und Liebenswürdigkeit, 
 dafs gerade feine Kindergeftalten, wie er_ fie, hierin Albano verwandt, faft allen 
feinen mythologifchen und religiöfen Gemälden einfügte, wie er fie zu eigenen 
allegorifchen Reigendarftellungen verarbeitete und wie er fie als Vignetten und 
Ornamente verwandte, ihm immer wieder unfere Herzen gewinnen.  Frangois 
Sein Lehm Boucher iPc am 29. Sept. 1703 3) in Paris geboren. Sein Lehrer war Frangois 
Le Moine. Seine Studienreife nach Italien machte er auf eigene Koften in 
Gefellfchaft Carle van Leo's. Mitglied der Akademie wurde er 1734, ihr 
Director 1765, vpremier peintre du roie in demfelben Jahre. Er flarb zu Paris 
afäilflfg: am 30. Mai 1770.  Aufser Le Moine hat Watteau, der grofse Meifter, den 
wir, da er nicht zu den Hiftorienmalern gehört, erft im nächften Kapitel 
kennen lernen werden, ihn am meiften beeinflufst. Seine Radirungen nach 
Zeichnungen Watteaus, welche er im Auftrage des Herausgebers eines Repro- 
I) Ed. et  Goncourt in L'Art du XVIII. siäcle, I. Paris 1880, p. 133-215.  Paul Mmzlz: 
Frangois Boucher. Paris 1880. Ausführliche Monographie in Grofsfolio.  Andrä Miclzel: Frangois 
Boucher. Paris (Rouam) 1886. 
2) Profpzr de Baudiwur: Le peintre-graveur frangais continue. Paris 1859-1861, VI, p. 37- 
102: 44 Blatt eigene Erfindungen; 124 nach Zeichnungen Wattemfs; im Ganzen x82. 
3) j'ai, Dictionnaire, 1872, p. 256.
	        
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