Vorbemerkungen.
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ohne uns zu vergegenwärtigen, dafs die, wie wir gefehen haben, in vielen
Hauptilädten bereits in der Mitte oder am Ende des 17., an anderen Orten
im Laufe des I8. Jahrhunderts gegründeten Kunftakademien jetzt die
Hauptfiätten der Erziehung und Ausbildung der Kunftjünger geworden waren.
Freilich {tiefsen die Akademien überall bei ihrer Gründung auf lebhaften
NViderfiand der handwerksmäfsigen Künftlerfchaft. In Wien wie in Paris
fochten die Zünfte einen erbitterten Kampf gegen die akademifche Freiheit
Aber üegreich behaupteten die Akademien das Feld, welches fie als Ver-
treterinnen der Freiheit und der Würde der Kunft betraten. Leider nur hatten
fie mit ihrer falfchen Lehrmethode, welche keine lebendige Wechfelwirkung
zwilchen Meilter und Schüler zuliefs, mit ihrem Regelzwang, welcher jede felb-
Pcändige Regung unterjochte, und mit ihrem Vorurtheil, als könne jeder jedes
lernen, auf die Dauer vor ihrer Neugeftaltung keineswegs einen günfiigen Ein-
Hufs auf die Entwicklung der Kunde. Mochten {ie auch eine gefchickte Technik
fortpflanzen, fo untergruben lie doch vor allen Dingen die eigenartige Ent-
Wicklung der einzelnen Künftler. Grofse und kleine Talente verfielen unter dem
Eintluffe der gleichen Schulung und der gleichen Mode bald der gleichen
iRoutiner, der gleichen Aeufserlichkeit, dem gleichen Manierismus. Die Bega-
bung nur weniger Meifter war mächtig genug, fie zu künillerifchen Individuali-
täten zu machen und dadurch zu einer kunltgefchichtlichen Sonderftellung zu
erheben.
Daraus erklärt es fich, dafs viele Taufende von Decken-, Wand- und dEg-tkliägigs
Staffeleigemälden, welche im vorigen Jahrhundert von ihrer Zeit berühmten Künäfäfrdes
Akademikern gemalt worden, längst in die vMagaziner der Galerien, in die i?"
Rumpelkammern der Schlöffer oder gar in die Flammen der Kamine gewandert
lind und dafs der ungeheuren Anzahl von Meiiter- und Schülernamen gegen-
über, die mit Leichtigkeit aus den Archiven der Akademien hervorgezogen
werden können je näher eine vergangene Zeit der unferen fieht, defio mehr
ihrer Urkunden haben {ich natürlich erhalten nur fo wenige Malernamen
des vorigen Jahrhunderts heute noch auf Aller Lippen leben oder felbft in den
Katalogen der guten Gemäldefammlungen vertreten lind.
Der Gefchichte der Malerei gehören natürlich nur die verhältnifsmäfsig
wenigen Meifter diefer Zeit an, welche durch ihre Begabung, ihre Eigenart Gjgfääiiges
oder ihr Schickfal als Individuen aus der Maffe hervorragen; auch von ihnen hmldem-
können die meiiien, weil ihre Individualität immer noch nicht fiark genug
ausgebildet oder an {ich bedeutend genug ift, um uns eingehend zu befchäftigen,
nur in allgemeinen Urnriffen gezeichnet werden; wenn uns aber auch bei der
Befprechung der bedeutendften Meifter des I8. Jahrhunderts in Bezug auf die
Verzeichnung ihrer Gemälde engere Grenzen gezogen lind, als bei den Haupt-
meiftern der vorigen Jahrhunderte, fo liegt dies zum Theil daran, dafs {ich
noch viele Bilder diefer Maler im Befitze der Familien beünden, welche iie
urfprünglich gekauft haben, und dafs die neuere Kunitforfchung, welche den
Gemälden der grofsen Meifter des 15., I6. und I7.Jahrhunderts bereits in die
8 und
17.
I) Vgl. des Verfaffers vDie alten und die neuen Kunüakademienu. DüITeIdorf 1879, S.
befonders C. v. Liltzozu, wGefchichte der Akademie der bildenden Künfteu. Wien 1877, S.