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Siebentes
Buch.
des
Malerei
Die
Jahrhunderts.
äfgfjlftgjr zurück. Die Rococokunft 1) bildete ihre eigene Ausdrucksweife daher vorzugs-
derklägäfco- Weife in der leichten Binnendecoration, im praktifchen Kunfihandwerk und in
der zierlichen Kleinkunft aus. Die weichen oder gefchmeidigen Stoffe des
Stucks, mit dem Decken und Wände der Wohnräume verziert wurden, des edlen
Nletalls, aus dem die in reichen Zierformen fchwelgenden Gefäfse des täglichen
Gebrauchs verfertigt wurden, und des Porzellans, der reifften Frucht der
Rococozeit, welches die vSalonsr und bBOUdOlfSe nicht nur mit Gefäfsen, fon-
dern auch mit hundert anmuthigen Werken der Kleinkunft fchmückte, waren
wie gefchaffen, um die in weichen S-Linien gefchwungene, mit Mufcheln und
Bändern, Blumen und Blättern fpielende, mehr umrahmende als ausfüllende
Rococo-Ornamentik, deren Hauptmeilier die Franzofen Jufte-Aurele Meiffonier
rufen und auszubilden. Die Grundformen der grofsen, zugleich behaglichen und
weiträumigen Palaft- und Kirchenarchitektur berührte diefe neue, tändelnde
Kunftweife nur in Ausnahmefällen; und dem entfpricht es, dafs auch die
gäjfehjägggfi Malerei zwar, wo {ie {ich noch mehr oder weniger monumental den Werken
33213;; der Baukunft anfchmiegt, wie in den grofsen Deckengemälden der
Kirchen, der Säle und vor allen Dingen der Treppenhäufer der Paläfie, von
einigen glänzenden Ausnahmen abgefehen, ausladend und fchwülflig oder
akademifch kalt und nüchtern bleibt, ohne an dem eigentlichen Gebahren des
Rococofiiles Antheil zu nehmen, fich diefem aber anfchrniegt, wo es kleinere
üäjldägn Beiiandtheile der Zimmerdecoration, z. B. die Felder über den Thüren
Thüm- und die Wandmitten, foweit hier die Gemälde nicht durch Spiegel verdrängt
werden, zu fchmücken gilt. Die Maler der Liebesfcenen in Götter- oder
Schäfermaske, der galanten Feile im Freien oder der fchlüpfrigen Vorgänge
im Boudoir lind daher auch die eigentlichen Vertreter des Rococo, einerlei ob
Sfjßegffiie unmittelbar auf die Wände, oder ob iie Staffeleibilder malen, die
befiimmt lind, an den Wänden befefligt zu werden. Der Vorliebe der Rococo-
332er]; kunft für zarte Farbentöne und weiche Formen verdankt dann die Paftell-
malerei, die fich Pcatt des Pinfels und der Oelfarbe farbiger Kreidefiifte,
deren Striche {ie mit dem Wifcher malerifch zu verfchmelzen weifs, bedient,
kslfrgffrfä ihre Ausbildung hauptfachlich für's Bildnifsfach, die Schabkunft, der {ich die
noch weichere Aquatinta-Manier anreiht, ihre Weiterbildung bis zu
vorübergehender Vorherrfchaft auf dem Gebiete der vervielfältigenden Künfte.
Uebrigens können wir die Malerei des I8. Jahrhunderts nicht betrachten,
I) Der Ausdruck Rococo, welcher zu Ende des vorigen Jahrhunderts gelegentlich in Frankreich
benutzt worden, um das damals Veraltete zu verfpotten, ift nur in Deutfchland zu einer wiffenfchaftlichen
Bezeichnung geworden. A. v. Zalm fchlug in feinem Auffatz vBarock, Rococo und Zopfu (Ztfchrft. für
bild. K. VIII, 1873, S. 1-11, S. 33-44) vor, diefe drei Ausdrücke gleichbedeutend mit Stil
Louis XIV., Louis XV., Louis XVI., wie die Franzofen fagen, zu gebrauchen. Spätere deutfche
Architekturfchriftfteller, wie 180d. Dolzme (nStudien zur Architekturgefchichteu in der Ztfchrft. für bild.
K. XIII, 1878, S. 292), P. Sclzumann (nBarock und Rococou, Leipzig 1885, S. 2), Com. Gurlitt
(wGefchichte des Barock-Stils, des Rococo und des Klafticismtisu, Stuttgart 1886, Bd. I, S.
aber laffen Zahn's Vorfchlag fallen und fuchen die Begriffe etwas anders zu faffen, Den WortPcreit
können wir auf {ich beruhen laffen. Den Begriff des Rococo formäl zu präciiiren, überlaffen wir der
Architekturgefchichte; kulturgefchichtlich unterliegt es keinem Zweifel, dafs das, was wir Rococo nennen,
im Wefentlichen der Zeit Ludwigs XV. angehört.