Vorbemerkungen.
s; as 18. Jahrhundert trägt einen Januskopf, deffen eines Antlitz zurück-
fchaut in die Vergangenheit, in die Renaiffancezeit, während fein anderes des IS-Jahr-
i" o4 Antlitz vorausfchaut in die Zukunft, in die grofse Zeit des I9. Jahr- hundert;
hunderts, der gegenüber das kommende Jahrtaufend xIvahrfcheinlich alle vor-
hergehenden Jahrhunderte als vdie alte Zeite zufammenfaffen wird. Das
I8. Jahrhundert ift die Zeit der franzöiifchen Ludwige und der Fichfifchen
AuguPce; aber es iit auch die Zeit Friedrichs des Grofsen, Peter's des Grofsen
und Jofeplfs II. Es ift das Jahrhundert der unnatürlichen Haartrachten von
der Allongeperrücke bis zum Haarbeutel und Zopfe; aber es iit auch das
Jahrhundert der begeifterten Rückkehr zur Einfachheit der Natur und der
Antike. Es ift die Zeit der Pompadour, Caglioftrds und des Geheimenraths
Klotz; aber es ift auch die Zeit Voltaires, Montesquieus und Rouffeaus,
Leffings, Winckelmanns und Mozarts Es ift das Jahrhundert der Mode, der
vgalanten Feftea, der gedankenlofen oder geiftreichen Leichtlebigkeit; aber es
ift auch das Jahrhundert des tiefften geiitigen Ringens, der grofsen Revolution
und des nordamerikanifchen Befreiungskampfes.
Da es nicht unfere Abficht ift, die vmodernee Kunft in den Rahmen kälgßligällgr
diefes Buches hereinzuziehen, fo intereffirt uns auch das I8. Jahrhundert vor- Aufgabe-
nehmlich in feiner Eigenfchaft als Ausklang und Nachklang des I6. und
I7. Jahrhunderts. Es ift die in der deutfchen Kunftfprache als vRococorr be- defiääägi,
zeichnete Zeit, mit deren Malerei wir uns hier hauptfachlich noch zu befchäf-
tigen haben und diefe Zeit War trotz ihrer Sitten- und Charakterlofigkeit
noch eigenwillig und felblifchöpferifch genug, um {ich auf der Grundlage der
Ueberlieferung ihre befondere künftlerifche Ausdrucksweife zu fchaffen, in der
{Ich ihre Weichheit, ihre Tändelfucht, ihre Launenhaftigkeit und ihre Gefallfucht
deutlich wiederfpiegeln. Die Kunft war in ihr mehr als je zuvor eine Unter-
haltung für die Höfe und die höfifchen Gefellfchaftskreife geworden; aber diefe
Kreife waren wenigftens in dem mehr als je zuvor tonangebenden Frankreich
des fleifen Prunkes, der rhetorifchen Pracht und der fcheinheiligen Maskenwürde
überdrüffig geworden. Sie lehnten {ich nach Freiheit der Bewegung, nach
Ungezwungenheit des Verkehrs, nach Leichtigkeit der Unterhaltung; Iie zogen
{ich aus kalten Feftfälen in üppige wSalonsK und anheimelnde vBoudoirsa
1) Man vergl. A. Sprirggerß Auffatz vDCf
gCfChichtBu, Bonn 1867. Dazu Paul Lzzcroix:
France 1700-4789. Paris 1875.
Rococofiih in
XVIIIC Siäcle.
feinen vBildern aus der Kunft-
Inftitutions, Usages et Costumes.